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Faching., Dipl.-Ing.oec., Ing.oec., Ing. Peter Rauch PhD
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    Teil 3: Was geschieht eigentlich im Kernreaktor?

    Posted by Rauch on Februar 3rd, 2007


    Meiler oder Ofen?
    Einschluß des radioaktiven Materials
    Der Spaltungsvorgang


    Moderne Kernkraftwerke sind Wärmekraftwerke. Sie nutzen die bei der Kernspaltung als Wärme freigesetzte Energie wie andere Heizkraftwerke auch. Wenn es ein Problem gibt, dann liegt es im Bereich der Umwandlung der Kernbrennstoffe in Wärme. Im Kernbrennstoff ist die Energie sehr konzentriert. Die Spaltung von einem Gramm Uran entspricht der Verbrennung von 2,7 Tonnen Steinkohle.

    Hohe Energiedichte birgt hohe Gefahr. Ein Messer ist deshalb gefährlicher als ein Stock, weil es die gleiche Energie auf eine viel kleinere Fläche konzentriert. Aus diesem Grunde wurden in frühen Kriegen Knüppel durch Schwerter ersetzt, ehe noch Messer in den Haushalten, zum Brotschneiden etwa, Verwendung fanden. Hätten unsere Vorfahren deshalb auf Messer verzichten sollen? Wir haben uns inzwischen an diese Gefahr „gewöhnt“, weil wir mit größeren Gefahren als mit Messerstechereien umgehen – etwa im täglichen Straßenverkehr.

    Der Kernbrennstoff birgt in mehrerer Hinsicht Gefahr:
    1. besteht Gefahr, daß er entwendet, zur Waffe verarbeitet und dann auch so eingesetzt werden kann;
    2. besteht die Gefahr, daß die Freisetzung einer derart geballten Energie außer Kontrolle gerät;
    3. geht wegen ihrer ionisierenden Strahlung auch von den Spaltprodukten Gefahr aus. Der Strahlung und dem Problem der Endlagerung nuklearer Abfälle werden wir ein eigenes Kapitel widmen.

    Meiler oder Ofen?

    Als man sich unter dem Eindruck der Bomben auf Hiroshima und Nagasaki nach dem Krieg an die friedliche Nutzung der ungeheuer „geballten“ Kräfte im Atom machte, war es die erste Sorge, zu verhindern, daß spaltbares Material in falsche Hände gelangt, um als Waffe mißbraucht zu werden. Das führte dazu, daß man von den beiden grundsätzlichen Feuerungsprinzipien, dem Meiler- und dem Ofenprinzip, das auswählte, welches aus anderer Sicht das größere Katastrophenpotential beinhaltet: den Meiler.

    Beim Meiler ist der gesamte Brennstoff einer langen Brennphase im Reaktor angeordnet. Der Verbrennungsvorgang wird dann so geregelt, daß gleichzeitig immer nur ein kleiner Teil des Brennstoffs in Energie umgewandelt wird. Im Ofen hingegen befindet sich jeweils nur so viel Brennstoff, wie nötig ist, um den Verbrennungsprozeß in der gewünschten Intensität aufrecht zu erhalten; dafür muß aber ständig neuer Brennstoff nachgelegt werden.

    Will man vor allem die Brennstoffe unter Kontrolle haben, empfiehlt sich das Meilerprinzip. So lange der Meiler im Betrieb ist, kann niemand an den Brennstoff gelangen. Zugriff auf den Brennstoff ist nur während der kurzen Stillstandszeiten nach einer ein- oder mehrjährigen Betriebszeit möglich, in denen das Brennstoffinventar unter strengen Kontrollen ausgewechselt wird. Würde wie beim Ofenprinzip ständig nachgefeuert, müßten ständig vor Ort Brennstoffe bereitliegen. Ihre Kontrolle wäre möglicherweise viel aufwendiger.

    Die meisten der heute gebräuchlichen Kernkraftwerke arbeiten daher nach dem Meilerprinzip. Mit dem in Deutschland entwickelten, aber inzwischen aufgegebenen Kugelhaufenreaktor wurde ein nuklearer Reaktorofen konzipiert, auf den wir später zu sprechen kommen.

    Einschluß des radioaktiven Materials

    Entscheidend für die Nutzung der Kernenergie ist der zuverlässige Einschluß der Strahlungsquellen, vor allem der stark strahlenden Spaltprodukte. Beim Meiler kommt die sichere Kontrolle des Abbrandprozesses hinzu. Beide Gefahrenquellen sind eng miteinander verknüpft. Gerät der Abbrandprozeß außer Kontrolle, läßt sich auch der sichere Einschluß der strahlenden Substanzen nicht gewährleisten.

    Der Brennstoff selbst strahlt nur sehr gering, er könnte gefahrlos in der Hosentasche transportiert werden. Hochradioaktive, also gefährliche Strahler entstehen erst durch den Spaltprozeß und fallen als Spaltprodukte an. Sie werden auf mehrfache Weise eingeschlossen

    • Zunächst werden sie im nuklearen Brennstoff selbst eingeschlossen. Es handelt sich dabei vorwiegend um Uranerz (UO2), das vermahlen und zu fingerdicken Tabletten gepreßt wird. Die sich aus der Spaltung eines Kerns ergebenden Spaltprodukte bleiben weitgehend im Kristallgitter des Uranerzes hängen. Das gilt selbst für Edelgase wie Krypton und Xenon.
    • Die Brennstofftabletten werden in dichtverschweißten Edelstahlröhren, den sogenannten Brennstäben, festgehalten. Bei diesem Stahl handelt es sich meistens um eine Zirkoniumlegierung, weil Zirkonium kaum Neutronen einfängt. Dieses Stahlrohr wurde so ausgelegt, 1. daß es weder im Inneren zu chemischen Wechselwirkungen (Korrosion) zwischen Brennstoff, Spaltmaterial und Hüllrohr, noch außen mit dem die Röhren umspülenden Kühlmittel kommt; 2. daß die Spaltprodukte, soweit sie doch aus dem Brennstoff austreten, die Röhre nicht verlassen können, aber dort auch keinen Ãœberdruck entstehen lassen; 3. daß sie durch Reibschwingungen oder andere mechanische Einwirkungen weder verbogen oder in ihrer Halterung gelockert werden können.
    • Die Brennstäbe wiederum umschließt das Kühlmittel in einem entsprechenden Reaktordruckgefäß aus einem Stahl, der den hier auftretenden besonderen Beanspruchungen gewachsen ist. Die Belastungen, d.h. die Anforderungen an die Festigkeit und Zähigkeit des Werkstoffs, übersteigen im Kernkraftwerk nicht die in anderen Produktionsbereichen. Doch unterliegen der Werkstoff und seine Verarbeitung im Falle der Verwendung in Kernkraftwerken einer besonderen Qualitätsüberwachung. Das gilt auch für alle übrigen Bestandteile, wie z.B. Abdichtungen an den verschiedenen Durchführungen (Pumpwellen, Ventilspindeln, etc.)
    • Das Reaktorgefäß befindet sich in einem Gehäuse (Betonabschirmung) in einer Stahlkugel (Sicherheitsbehälter) und einer starken Stahlbetonhülle. Die Umbauung ist so ausgelegt, daß sie beim Versagen aller anderen Barrieren das radioaktive Inventar und den Druck, der ihre Freisetzung aus dem Reaktorkern erzeugen würde, aufnehmen und zurückhalten kann. Diese Sicherung hat sich z. B. bei dem Reaktorunfall in Harrisburg 1979 bewährt. Das Gehäuse ist innen gegen Splitterwirkung und von außen gegen Flugzeugabstürze und Explosionen weitgehend geschützt.
    • Hinzu kommen Reinigungs- und Filtersysteme, die radioaktive Stoffe, die einzelne Barrieren doch überwunden haben sollten, z.B. aus dem Kühlmittel entfernen. Innerhalb des Reaktorgebäudes wird in den zugänglichen Räumen ein System von Unterdruck derart aufrechterhalten, daß die Luft, falls eine Undichte entsteht, immer nur von außen nach innen gesogen wird. Dadurch ist gesichert, daß Luft mit möglicherweise freigesetzten Schwebeteilchen nur über die Filtersysteme nach außen gelangt.

    Diese Barrieren gegen das Austreten radioaktiver Substanzen reichen im Normalbetrieb völlig aus, so daß durch den Betrieb des Kernkraftwerkes keine zusätzliche Radioaktivität in die Umgebung gelangen kann.

    Das geschieht allenfalls bei schweren Störungen des Reaktorbetriebs. Zu einer schwerwiegenden Störung kommt es, wenn die Spaltvorgänge im Reaktor außer Kontrolle geraten, also „durchgehen“, wie das beim Reaktorunfall in Tschernobyl 1986 der Fall war, oder wenn die Abfuhr der Nachzerfallswärme, der Wärme, die nach Abschalten der Spaltprozesse im Reaktor noch frei wird, nicht gelingt, was beim Reaktorunfall in Harrisburg nahe an eine Katastrophe herangeführt hatte. Um das zu verstehen, müssen wir uns den Kernspaltungsprozeß etwas näher ansehen.

     

    Der Spaltungsvorgang

    Prinzipiell könnten alle Atomkerne gespalten werden, energetisch sinnvoll ist das aber nur bei den überschweren Kernen, die aufgrund eines ungünstigen Verhältnisses zwischen Protonen und Neutronen nicht mehr stabil sind und zur Spaltung neigen. Die gebräuchlichsten Kerne sind die von Uran 235, das zu 0,7% im Natururan enthalten ist, Plutonium, das aus Uran 238, und Uran 233, das aus Thorium (Th 232) gebrütet wird. Ein solcher Kern zerfällt, wenn ihn ein freies Neutron mit einer ganz bestimmten Geschwindigkeit (nicht zu schnell und nicht zu langsam) trifft. Das Neutron dringt in den Kern ein und veranlaßt die im Kern vorhandenen Teilchen, sich umzugruppieren. Dabei gerät der Kern in Schwingungen, die ihn in fünf von sechs Fällen in zwei Teile (meist im Verhältnis von 40:60) platzen lassen. Im sechsten Fall entsteht ein Atom des nicht spaltbaren Uran 236.

    Die Bruchstücke, meist je ein Krypton- und ein Bariumkern, fliegen mit der Energie von 167MeV (Megaelektronenvolt, etwa 2,67 x 10-11 Joule) auseinander. Sie werden in Bruchteilen von mm Entfernung durch Atome der Brennstofftablette abgebremst. Dabei wandelt sich ihre Bewegungsenergie in Wärme um. Außerdem werden zwei bis drei Neutronen mit einer kinetischen Energie von rund 5MeV frei. Sie können Brennstoff und Hüllrohr durchdringen und werden im Reaktorwasser, dem Moderator, innerhalb weniger Dezimeter gebremst. Zusätzlich entstehen 20MeV an β- und γ-Strahlung, die ebenfalls in Wärme umgewandelt wird. Die Reaktorwärme wird über das Primärkühlmittel in einen Wärmetauscher abgeführt und dort zur weiteren Nutzung (Dampferzeugung) ausgekoppelt.

    Die erste Kontrollaufgabe besteht darin, sicherzustellen, daß von den freigesetzten zwei bis drei Neutronen nur eines – aber dies auch sicher – zu einer weiteren Kernspaltung führt. Zu diesem Zweck muß es auf die erforderliche Geschwindigkeit abgebremst werden. Dem dient der sogenannte Moderator, meist schweres Wasser oder Graphit. Für die Sicherheit ist entscheidend, daß die übrigen ein bis zwei Neutronen nicht auch zu einer Kernspaltung führen.

    Diese Sicherheit bieten sogenannte Neutronengifte. Das sind Kerne, die Neutronen aufnehmen, ohne selbst gespalten zu werden. Dazu zählen unter anderem die Brutstoffe wie das erwähnte Uran 238, aus dem die Brennstofftablette zum größten Teil besteht. Auch Spaltprodukte wie z.B. Xenon 135 nehmen Neutronen auf. Weitere Neutronen bleiben im Moderator, im Strukturmaterial, und auch in der Ummantelung der Brennstofftabletten stecken.

    Natürlich ist es unmöglich, die Neutronen einer jeden Kernspaltung exakt zu steuern. Die freigesetzte Energie ergibt sich aus einer großen Zahl an Kernzerfällen mit einer entsprechend großen Menge Neutronen. Diese läßt sich mit der nötigen statistischen Wahrscheinlichkeit durch Beimischung von Absorbermaterial zum Brennstoff, durch die Anordnung der Brennelemente, denen zusätzliche leere oder mit Absorbermaterial gefüllte Stäbe zugeordnet werden, die Zusammensetzung des Moderators und die gesamte Geometrie der Anlage sehr genau steuern. Auf diese Weise ist der kontrollierte Abbrand des Kernbrennstoffs weitgehend gewährleistet.

    Im Reaktor sorgen einige zusätzliche Selbstregelungseffekte dafür, daß sich mögliche Leistungssteigerungen durch zusätzliche Spaltvorgänge von selbst abbauen bzw. unmöglich sind. Steigt die Temperatur infolge zunehmender Spaltprozesse im Reaktor an, vergrößert sich nämlich die Absorptionsfähigkeit von Uran 238. Sein Anteil in den Brennstofftabletten fängt nun mehr Neutronen ein und senkt dadurch die Anzahl der Spaltvorgänge wieder. Mit der Temperatur des Moderators steigt die mittlere Geschwindigkeit der Neutronen, und dementsprechend sinkt die Wahrscheinlichkeit, daß sie von spaltfähigen Kernen eingefangen werden. Mit zunehmender Temperatur nimmt schließlich auch die Dichte des Moderators – besonders im Falle von Wasser – ab. Dadurch sinkt seine Bremswirkung auf die Neutronen, so daß sie eher von U-238-Kernen absorbiert werden und entsprechend weniger Kernspaltungen auslösen.

    Die Auslegung eines Reaktors muß so sein, daß der sogenannte Leistungskoeffizient negativ ist. D.h. wenn bei einem zu hohen Anheben der Steuerstäbe eine Vermehrung der Spaltungsneutronen zu einer Leistungssteigerung des Reaktors führt, muß die erwähnte Gegenwirkung, der Temperaturkoeffizient, diese sogar überbieten. Im Endergebnis muß die Zahl der Spaltungsvorgänge pro Zeit sinken. Die Auslegung des Reaktors, seine Geometrie und die Abstimmung der Volumenverhältnisse sorgen dafür, daß der Kernbrennstoff gleichmäßig abbrennt, ohne daß von außen steuernd eingegriffen werden muß. Eingriffe von außen sind durch Steuerstäbe, die ebenfalls mit Neutronengiften gefüllt sind, möglich. Sie lassen sich zur Regelung der Spaltvorgänge mehr oder weniger weit in den Reaktor einführen. Schließlich kann bei Bedarf ein weiteres Neutronengift, meistens Bor, dem Reaktorwasser zugefügt werden. Beides – der Einsatz von Steuerstäben oder die Zugabe von Bor – kommt vorwiegend beim Abschalten und Anfahren des Reaktors zum Einsatz.

    Die Steuerstäbe dienen vor allem dazu, die Neutronen, die beim Herunterfahren der Reaktorleistung und dem allmählichen Abkühlen des Reaktors zunächst vermehrt auftreten, zu kompensieren. Dann müssen sie den abgeschalteten Reaktor unterkritisch halten und gewährleisten, daß der Reaktor, wenn er wieder mit frischen Brennelementen bestückt ist, langsam und kontrolliert hochgefahren werden kann.

    Teil1 Ehrlich streiten über Kernenergie
    Teil2 Quellen der Energie
    Teil3 Was geschieht eigentlich im Kernreaktor?
    Teil4 Warum der „GAU“ beherrschbar ist
    Teil5 Wann ist Radioaktivität gefährlich?
    Teil6 Das sogenannte Abfall-Problem
    Teil7 Transmutation
    Teil8 Der Öko-Reaktor
    Teil9 Ist der Ausstieg aus der Kernenergie moralisch vertretbar?

    Name: Dr. Helmut Böttiger
    Email:boettigerdrh@web.de
    Dieser Beitrag darf nur Mitzustimmung des Autors verändert werden.

     


     
    Kosmisches Gesetz

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