Politik der Kernenergie
Posted by Rauch on 29th Juli 2007
von Dr. Helmut Böttiger, Wiesbaden
Der Parteitag der SPD 1956 in München forderte die
rasche Entwicklung der friedlichen Nutzung der Kernenergie als
objektive Voraussetzung für die wirksame Überwindung von Not und
Elend insbesondere in den unterentwickelten Ländern. Kaum 20
Jahre später sollte das nicht mehr wahr sein. Heute fordert die
gleiche Partei den Ausstieg aus der Kernenergie und die Rückkehr
zu sogeannten alternativen Energiequellen: Sonne Wind und
Biomasse. Hatte man sich 1956 geirrt oder ist die Überwindung
der weltweiten materieller Not nicht mehr das Ziel der Partei?
Der Hintergrund
Um eine Sache richtig einschätzen zu können, bedarf es
eines angemessenen Hintergrunds. Um die Befürwortung oder
Ablehnung der Kernenergie zu beurteilen, wählen wir als
Hintergrund die Machtfrage: Welches sind die objektiven
Voraussetzungen, um Herrschaft und Macht ausüben, um anderen
Menschen den eigenen Willen aufzwingen zu können? Was bedeutet
Herrschaft praktisch? Wer auf diese Frage keine Antwort findet,
versteht unserer Meinung nach den Tanz um Kerenergie und
sogenannten Umweltschutz nicht.
Macht ist im Unterschied zu Führung, die den besseren
Weg zum gemeinsamen Ziel zeigen kann, das Vermögen, das
Verhalten anderer Menschen zu beeinflussen: „zu führen, wohin
sie nicht wollen“. Wenn man von den Formen der physischen
Gewaltanwendung absieht, vor denen in der demokratischen
Gesellschaft den Einzelnen die Polizei schützt, bleibt als
Machtmittel nur der Bedarf und seine Deckung. Das gilt für die
Drogenabhängigkeit ebenso wie für sexuelle Hörigkeit oder die
Wirkung von Lob und gesellschaftlicher Anerkennung. Sexuelle
Hörigkeit setzt eine bestimmte Form von Geilheit voraus. Das
gleiche gilt offenkundig für die Drogenabhängigkeit und
ähnliches. Machtausübung über Lob und Anerkenntung gelingt nur
bei mangelndem Selbstbewußtsein der Folgsamen, die mangels
eigenen Urteils auf das der „Anerkannten“ angewiesen sind.
Wenn man die Formen der Machtausübung zusammenfaßt, dann
kommt man auf eine einfache Formel. Immer ist ein Mangel, eine
Not, ein Elend der Beherrschten die Voraussetzung der
Machtausübung und die glaubhaft gemachte Fähigkeit, bei
Wohlverhalten diese Notlage abzuwenden. Ohne diesen Mangel und
die Angst vor ihm, ist Machtausübung nicht möglich. Ohne Mangel
gibt es begeisterte Zusammenarbeit, gibt es Führung aber keine
Herrschaft und Macht. Macht ist immer die Möglichkeit, den
anderen nach Belieben in Not halten zu können. Ohne Mangel keine
Macht.
Dieser Zusammenhang läßt begreifen, warum der „freie“
Markt zur Ideologie der scheinbar gewaltfreien Machtausübung
werden konnte. Macht entspricht im Wortschatz des Marktes dem
Preis. Der Preis bezeichnet scheinbar eine Menge Geld, die für
ein gewünschtes Versorgungsgut ausgegebenen wird. Als Lohn wird
Preis spürbarer, da steht er für eine bestimmte Menge
Lebenszeit, die man den Weisungen (der Macht) anderer
unterstellt, um das Versorgungsgut zu erwerben. Wer die Preise
macht, bestimmt wieviel Lebenszeit man für den eigenen
Lebensunterhalt verpfänden muß. Nun „macht“ niemand die Preise.
Der Markt ermittele sie aus Angebot und Nachfrage – heißt es.
Nun wäre zu fragen, wer dieser Herr, der Markt sei. Der Markt –
wer immer das ist – regelt der Theorie nach den Preis unter
Bedingungen allgemeiner Knappheit. Wie verhält er sich der aber,
wenn wie inzwischen, die möglichen materiellen
Produktionsvoraussetzungen der Knappheit und dem Mangel objektiv
den Grund entziehen.
Unschwer läßt sich erkennen, daß sich auf dem heutigen
Markt günstige Preise nicht durch Güterproduktion erzielen
lassen, sondern durch die erfolgreiche Verhinderung der
Produktion. Nach der Logik des freien Marktes ist es für den
Betreiber von Kraftwerken und seine Bank einträglicher, nicht in
ein weiteres Kraftwerk zu investier und mit der Knappheit den
Strompreis hochzuhalten, als in ein zusätzliches Stromangebot zu
investieren und durch das Angebot den Preis und den Erlös für
die gleiche Leistung zu drücken. Von einem bestimmten
Versorgungsgrad an wird die Steigerung der Güterproduktion
„unwirtschaftlich“, das heißt politisch, steigert sie nicht mehr
die Macht über das Leben anderer, sondern baut sie ab. Dann
zahlt sich nur noch die Verhinderung von Güterproduktion aus. In
dieser Situation ist es denen, die an der Steigerung ihrer
Machtausübung gelegen ist, ratsam, über die Lebenzeit anderer
Menschen nicht mehr produktiv sondern antiproduktiv zu
verfügen.
Wer kann verhindern, daß bei relativ hohem Preis mehr
Strom erzeugt wird? Doch nicht die SPD, doch nicht die Grünen,
wird man schnell einwerfen wollen, allenfalls die mit einander
verflochtetenen Banken, die für die enormen Investitionen keinen
Kredit bereitstellen. Aber wer sorgt dafür, daß diese ihre
Weigerung politisch durchsetzen können, und die Institution der
Gemeinsamkeit, der Natinalstaat, sie nicht zu einer Änderung
ihrer Investitionspolitik zwingt? Wenn man von revolutionärer
Zerstörungswut absieht, die in der Regel mehr praktische
Freiheit (von Mangel und Zwang) vernichtet als ermöglicht,
braucht die Investitionspolitik der Geldgeber zur
Aufrechterhaltung oder Steigerung der Knappheit, wie wir sie
heute allenthalben beobachten können, eine betörende
Rechtfertigung. Hier kommt Umweltschutz, kommen SPD, Grüne,
Medien und sogenannte NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen,
private Zirkel mit viel Geld und Unterstützung durch Medien) ins
Spiel.
Doch wir reden hier von Kernenergie. Da die Produktion
von Versorgungsgütern immer eine Frage des Stoffwechsel ist und
Stoffwechsel soviel wie Energie bedeutet, besteht ein enger
Zusammenhang zwischen Verfügbarkeit von Energie und
Versorgungsgrad einer Bevölkerung. Die Besonderheiten der
Kernenergie im Rahmen der bisherigen Grenzen der
Energieversorgung rührt an den Zusammenhang zwischen Kernenergie
und Herrschaft. Der für unsere Versorgung wichtige Stoffwechsel
ist ein chemischer und ein mechanischer. Nahrungsmittel und
Werkstoffe müssen hergestellt und entsprechend zubereitet
werden, das erfordert Energie – warum aber
Kernenergie?
Molekulare Bindungskräfte
Die Erde besteht aus einer Fülle unterschiedlicher
Stoffe. Die wenigsten kann der Mensch in der vorgefundenen Form
unmittelbar gebrauchen, er muß sie umwandeln. Alle Stoffe, die
auf der Erde vorkommen, setzen sich aus nur 81 stabilen
Elementen zusammen. Hinzu kommen einige wenige instabile
Elemente mit sehr langen Halbwertzeiten (über mehrere Millionen
Jahre), z.B. Wismut Thorium oder Uran. Aus chemischen Elementen
setzen sich auch die benötigten Nahrungsmittel und Werkstoffe
zusammen. Um sie chemisch herzustellen oder mechanisch
abzuändern, wird entweder Energie frei oder muß diese zugesetzt
werden. Ohne Energie ist weder die chemische Verbindung noch die
mechanische Zubereitung der Stoffe möglich.
Die bisher für den Menschen gebräuchlichste Energie
stammt aus den Bindungskräften zwischen Elementen. Um dies
verständlich zu machen, greifen wir auf die einfachste Form der
heute üblichen Atomvorstellung zurück. Danach besteht ein
Element aus Atomen, dieses wiederum aus einem politivgeladenen
Kern und einer negativ geladenen Elektronenhülle. Dabei
konzentriert sich die Masse des Atoms im Kern. Das Volumen des
Kernes verhält sich zur Masse des gesamten Atoms, das die
äußerste Elektronenschale umschließt, wie 1 : 140 Billionen.
Gelänge es, die Atomkerne irgendwelcher Elemente alleine also
ohne ihre Elektronenhülle zusammenzulegen, dann wöge ein cm³
davon 140 Millonen Tonnen.
Kern und Schale werden durch entgegengesetzte
elektromagnetische Ladung zusammengehalten. Dabei heißt die
negative Ladung in den äußeren Schalen Elektron, die positive im
Kern Proton. In einem Atom sind in der Regel ebenso viele
Elektronen wie Protonen vorhanden. Die Elektronen bewegen sich
nach dem gebräuchlichen Atommodell um den Kern wie Planeten um
die Sonne. Dabei müssen bestimmte Mengen und Abstände
eingehalten werden. Die Abstände legen sich wie Schalen um den
Kern. Nur auf diesen bewegen sich Elektronen. Auf jeder Schale
findet immer nur eine bestimmte Menge Elektronen Platz. Sind die
Plätze eingenommen, müssen weitere Elektronen auf der nächsten
weiter außen angesiedelten Schale Platz nehmen. Die Anzahl der
Plätze auf der jeweiligen Schale sind bei allen Atomen gleich.
Die Möglichkeit, chemische Verbindungen eingehen zu
können, hängt von der jeweils äußersten Elektronenschale des
Atoms ab. Sie entscheiden über die chemischen Eigenschaften des
Elements. Es scheint eine Art Bedürfnis der Atome zu geben,
möglichst alle Plätze auf der äußeren Schale mit Elektronen zu
füllen. Dies ist die Voraussetzung dafür, daß Elemente chemische
Verbindungen mit einander eingehen (Atome sich zu Molekülen
verbinden). Daher nennt man die Elektronen auf der jeweils
äußersten Schale auch Valenzelektronen.
Elemente mit einer voll besetzten äußeren
Eletronenschale sind sogenante Edelgase. Sie sind chemisch
stabil und gehen keine chemischen Verbindnung ein. Ist die
jeweils äußerste Schale nicht vollständig mit Elektronen
besetzt, dann sind chemische Verbindungen möglich und
wahrscheinlich. So fängt Eisen an zu rosten, weil ein Eisenatom
in einem Kristal weniger stabil ist als ein Eisenoxid-Molekül.
Warum das so ist soll ein Beispiel zeigen: Eine bekannte
chemischen Verbindungen ist Kochsalz, Natriumchlorid. Das
Alkalielement Natrium hat auf seiner äußersten Elektronenschale
nur ein einsames Elektron. Nur noch ein einziges fehlt aber bei
bei dem Halogen Chlor (das mit einem Ladungselement mehr zum
Edelgas Argon würde). Beide Elemente verbinden sich zu Kochsalz,
indem das vereinzelte Elektron des Natrium die Elektronenschale
des Chlor sozusagen vervollständigt.
Unter bestimmten Umständen kann es vorkommen, daß
Elemente oder Verbindunge ein oder mehrere Elektronen verlieren.
Das geschieht oft in chemischen Lösungen oder wenn radioaktive
Strahlung Elektronen aus der äußeren Schale wegschlägt. Dadurch
ändert sich das chemische Verhalten der Atome oder ehemaligen
Moleküle. Hier liegt die wichtigste Problematik der radioaktiven
Strahlung für die Lebenwesen, deren Körper sich ja aus sehr
komplexen chemischen Verbindungen zusammensetzen.
Fossile Energiequellen und Boden
Unsere derzeit gebräuchlichste Energiequelle stammt aus
dem Energiekreislauf der belebten Natur. Sie ergießt sich beim
Verbrennen (Oxidieren) von Kohlenstoff C oder Wasserstoff H oder
deren Verbindungen, den Kohlenwasserstoffen CnHm (also Öl, Gas
etc) zu Kohlendioxid CO2 und Wasser H2O. Um diese Verbindungen
wieder aufzulösen, muß die gleiche Energie wieder hineingesteckt
werden, die bei der Verbrennung freigesetzt wurde. Das gelingt
zum Beispiel den Pflanzen mit Hilfe der Sonnenenergie. Sie
spalten CO2 und H2O und bauen daraus den Kohlenwasserstoff auf,
aus dem sie bestehen. Dabei setzen sie Sauerstoff O frei. Wir
Tiere leben von der und durch die Aktivität der Pflanzen. Wir
atmen O ein und verbrennen zumeist die pflanzlichen
Kohlenwasserstoffe zu CO2 und H2O in unseren Zellen und beziehen
daraus die nötige Lebensenergie.
Die Energiequelle für diese Vorgänge liefert das große
Kernkraftwerk am Himmel, die Sonne. Die uns zur Verfügung
gestellte Energie ist abgewandelte Sonnenenergie. Die
Sonnenenergie kommt auf der Erdoberfläche sehr undicht an; sie
muß, um brauchbar zu sein, gesammelt und verdichtet werden. Das
leisten zum Beispiel die Pflanzen, die langsam wachsen, aber
auch Strömungen in Luft und Gewässern, welche die
Sonneneinstrahlung auslöst. (Ein wenig Energie stammt aus der
Erde und zwar aus den dort spontan zerfallenden Kernen). Die vom
Menschen zum Leben benötigte Energie hängt daher weitgehend von
der Bodenfläche und den dort herrschenden besonderen Boden- und
Klimabedingungen ab, denn die Bodenfläche ist die Voraussetzung,
um die Sonnenenergie ernten und verwenden zu
können.
Herrschaft und Boden
Ursprünglich konnten Menschen wie Tiere Macht und
Herrschaft nur von Individuum zu Individuum ausgeüben. Der
Stärkere konnte dem Schwächeren die Beute abjagen, ihn aber auf
Dauer nicht beherrschen,. Denn der Schwächere konnte ihm aus dem
Weg gehen und für sich selbst jagen und sammeln. Dazu mußte
allerdings genügend Raum, also Erdoberfläche vorhanden sein. Als
die Menschen lernten, Tiere zu domestizieren und zu weiden, den
Boden zu bestellen und Feuer zu nutzen, war die Sache mit dem
Ausweichen nicht mehr so einfach. Die neuen Verfahren steigerten
aber den Arbeitsertrag und damit das Versorgungsniveau so sehr,
daß die Flucht in die Wirtschaftsform des Jagens und Sammeln
keine menschenwürdige Existenz bieten konnte.
Macht und Herrschaft hängt nun von der Fähigkeit ab, den
Boden, an dem ja kein Eigentumsvermerkt hängt, gegen den
Anspruch anderer zu verteidigen, zu behaupten und gegebenenfalls
anderen vorenthalten zu können. Die Herrschaft über den Boden
konnte andere Menschen in Not bringen und gerade das ist die
materielle Grundlage jeder Herrschaft. Wo es zu viel Boden gibt,
läßt sich Herschaft nicht aufrechterhalten. Den wohlhabenden
Kolonisten in Amerika fehlten Dienstboten, solange die ungeheure
Landfläche der USA nicht privatisiert war und der Preis für
Farmland nicht wenigstens so hoch war, wie die Importkosten für
neue Einwanderer. Strittig war die Methode der Privatisierung,
ob die Kolonialmacht oder eine erwählte Gruppe wohlhabender
Siedler den Boden privatisieren konnte. In Australien gelang das
dem britischen Königshaus in den USA den wohlhabenden einander
verschworenen Siedlern.
Behauptung des Bodens und das Vermögen, ihn anderen
vorzuenthalten, wurde zur Grundlage der Herrschaft. Bodenbesitz
war die Voraussetzung, um die lebensnotwendige Energie zu
ernten, mit der die Nahrungsmittel, Kleidung, Wohnung, Werkzeuge
und Waffen hergestellt werden. Mit der Zähmung des Feuerns und
der Behauptung von Landfläche begann die menschlichen
Zivilisation, die bis zum zweiten Weltkrieg dauerte und ebenso
war die Landesverteidigung die reale Grundlage jeder politischen
Organisation und Herrschaft.
Boden trägt keine Eigentumsvermerke. Nur wer ihn
verteidigen kann, besitzt ihn und kann ihn nutzen,
beziehungsweise andere davon abhalten. Wer den Boden behaupten
konnte, entschied die militärische Macht. Dabei muß der
militärisch Stärkere die militärisch Schwächeren nicht vom Land
vertreiben. Wenn die Schwächeren begriffen hatten, daß der
Stärkere dies jederzeit konnte, waren sie bereit für einen
Anteil am Ertrag für diesen zu arbeiten – jedenfalls dann, wenn
der gewährte Anteil größer war, als das, was sie sich aus der
Wildnis selbst hätten beschaffen können. Dem entsprach die
Einsicht der Stärkeren, daß die Schwächeren nur dann für sie
arbeiten würden, wenn ihr Anteil wenigstens dieses Maß umfaßte.
Die wechselseitige Einsicht in die Grenzen dieses Zusammenhangs,
heißt „politische“ oder auch „wirtschaftliche Vernunft“. Wo sie
fehlt, kommt es zu Krieg, Aufstand und Totschlag.
Daß militärische Macht und nicht irgendeine
Vergleichsarbeitszeit die nakte Grundlage des Tauschhandels ist,
zeigt sich am deutlichsten an den ursprünglichen
Tauschverhältnisse und ihren Terms of Trade. So bestimmte im
Fall der Wikinger, die eine Stadt für ihren Handel „erschließen“
wollten, das Verhältnis zwischen ihrer militärischen Macht und
der Macht der Stadt den Preis der auszutauschenden Waren. Das
dürfte noch im Fall der Erschließung Japans durch die US Flotte
im 19. Jahrhundert so gewesen sein. Der Preis konnte – (was Adam
Smith und Karl Marx mit ihrer Arbeitswerttheorie nur
verschleiern und vernebeln) – bei extremer Überlegenheit einer
Seite bis auf Null absinken. Die Vernunft als Einsicht in die
tatsächlichen Macht- oder Risikoverhältnisse, führte zu einer
Einigung die für beide Seiten einigermaßen erträglich erschien.,
die Unvernunft oder ohnmächtiger Stolz zu Krieg und
Raub.
Die nackte Tatsache des Tauschhandels wurde in neuerer
Zeit durch das Geldsystem überdeckt. Mit Geld lassen sich
scheinbar alle Rohstoffe und Versorgungsgüter unabhängig vom
Boden von überall her erwerben. Was aber bestimmte den Wert des
Geldes und wer legt die Bedingungen fest, unter denen es
erworben wird? Daß sich die Geldwirtschaft auf die gleiche Form
der militärischen Behauptungsfähigkeit stützt, macht eine
einfache Überlegung deutlich: Was wäre ein Kredit – und Geld ist
nur eine Form von Kredit – ohne Polizei und Militär, die seine
Anerkennung im kritischen Moment durchsetzen könnten? Er wäre
doch wohl nichts anderes als ein Geschenk. Erst die militärische
Macht, den Kredit in der vereinbarten Zeit und mit dem
vereinbarten Zins wieder eintreiben zu können, macht ihn zum
Kredit – und Kredit ist jede Form von Wertpapier, vom Geldschein
bis zum Hedge-Fond-Anteil.
Militärische Macht hängt allerdings wiederum davon ab,
ob und wie man über Energie verfügt. Wer mehr oder besseren
Boden hatte, konnte mehr Truppen unterhalten und entsprechend
ausrüsten. Wer die verfügbare Energie im Luxus verpraßte, stand
bald ohne Bedienstete und dann auch bald ohne Boden da. Die
militärische Macht läßt sich durch diplomatisches Geschick oder
psychologische Manipulation verstärken. In erstem Fall gelingt
es zum Beispiel zwei oder mehrere mögliche Gegner, die einem
Land oder Macht streitig machen könnten, gegen einander in
Kriege zu verwickeln, um dann beiden bei geringem eigenen
Aufwand die Verfügung über ihr Land streitig zu machen oder an
besondere Bedingungen zu knüpfen. Auch die beiden letzten
Weltkriege und deren nachfolgende Friedensordnung liefern
hierfür beredte Beispiele – wenn man sie nüchtern und ohne die
verordnete Propagandabrille betrachtet.
Im Fall der psychischen Manipulation geht es fast immer
darum, im anderen (Vertreibungs-) oder Existenz-ängste zu wecken
und zu schüren. Eingeredete Ängste, das heißt ein „induziertes
Irresein“, können so stark sein, daß der Betroffene sich nahezu
bedingungslos Zwängen, die ihm Schutz versprechen, unterwirft.
Das gilt für allerlei Teufel und Gespenster genauso wie für CO2
als „Klimagift“ oder der Glaube an die „Nichthandhabbarkeit“
oder „Unverantwortbarkeit“ der Kernenergie. Die Fähigkeit zur
diplomatischen und psychologischen Machtausübung setzt aber
bereits ein Übermaß an militärischer und davon ableitbarer
finanzielle Macht und Glaubwürdigkeit voraus, sie dienen im
Grunde nur zur Ökonomisierung des Aufwandes zur
Machtausübung.
Kernenergie macht unabhängig.
In den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts deutete ein
Buch mit dem Titel „Wissenschaft bricht Monopole“ eine Wende an.
Es behauptete, wissenschaftliche Forschung und die Endeckung
neuer Verfahren zur Herstellung von Roh- und Werkstoffen und zu
ihrer Bearbeitung mache von dem unmittelbaren Landbesitz
unabhängig. Das galt aber nur, soweit durch solche Erkenntnisse
Knappheiten umgelagert und verschoben werden konnten. Dies war
möglich, wenn für ihre Anwendung die erforderliche Energie zur
Verfügung stand. Das Buch entstand in Deutschland, dessen Boden
zwar wenig natürliche Rohstoffe aber reichlich Kohle enthielt
und das damals auch noch über ein relativ starkes Militär
verfügte. In anderen Gegenden, zum Beispiel in den meisten der
sogenannten Entwicklungsländern, fehlen entweder die
Energiequellen oder das entsprechende Militär. Daher konnte dort
die Wissenschaft auch keine Monopole brechen. Soweit es auch
dort fähige Wissenschaftler gab, wanderten sie dorthin ab, wo es
„Kohle“ im realen und im übertragenen Sinne gab. Diese Länder
werden stets an die Bodenabhängigkeit der Herrschaft (Versorgung
nur bei Wohlverhalten im Sinne der Versorger) und den Zwang,
ihren Boden nicht oder nur bei Erfüllung bestimmter Auflagen zu
behalten, erinnert.
Erst die Nutzung der Kernenergie löste die
Energieversorgung vom Boden und relativiert dadurch die
Bodenbehauptung als Herrschaftsmittel. Zwar sind Kernbrennstoffe
im Falle der Kernspaltung (schon nicht mehr im Falle der
Kernfusion) von besonderen Rohstoffvorkommen im Boden und das
heißt von militärischer Bodenbehauptung abhängig. Aber wegen
ihrer hohen Energiedichte können große Mengen der
Energierohstoffe bequehm transportiert und eingelagert werden,
so daß es auf die Bedingungen des Bodens und seiner Fläche nicht
mehr unmittelbar ankommt. Der Grund dafür ist, daß die
Kernenergie die Bindungskräfte der Kerne nutzt, die
millionenfach dichter gebündelt sind als die molekularen
Bindungskräfte.
Molekulare Verbindungen kommen – wie gesehen – über die
Elektronenschalen zustande, die am äußeren Rand der Atome
wirksam werden. Im Kern der Atome spielt sich alles viel
konzentrierter ab. Hier drängen sich die gleichgerichteten
Ladungen, die einander abstoßen sollten und die auf den
Elektronenhüllen die Elektronen so weit wie möglich abspreitzen,
als Protonen dicht zu sammen. Protonen müßten einander als
Träger gleicher Ladung abstoßen, wenn sie nicht durch ungeheuer
stärkere Bindungskräfte zusammengeholten würden. Ihre
Abstoßungskräfte müssen dazu „neutralisiert“ werden. Dies
geschieht durch sogenannte „Neutronen“. Diese sind an sich auch
nicht stabil. Sie zerfallen außerhalb des Kerns nach 11 bis 20
Minuten in ein Proton und ein positivgeladenes Elektron, ein
Positron. Im Kern werden beide Teile des Neutrons durch die dort
herrschende hohe Bindungsenergie zusammengehalten und sie halten
selbst wiederum die Protonen des Kernes sehr dicht
zusammen.
Je mehr Protonen in einem Kern zusammen kommen, desto
mehr Neutronen sind nötig, um sie zusammenzuhalten. Dabei können
sich Atome gleicher Elemente, das heißt mit der gleichen Anzahl
von Elektronen und Protonen durch die Zahl ihrer Neutronen
unterscheiden. Man spricht dann von Isotopen. Solche Isotope
können selbst noch stabil sein aber auch schon instabil.
Offensichtlich gibt es ein optimales Verhältnis von Neutronen zu
Protonen. Wenn dieses nicht erreicht wird, sind die Kerne
instabil. Sie werden sich früher oder später stabilisieren.
Stoffe, deren Kerne das tun, heißen „radioaktiv“. Der
Stabilisierungsvorgang, die „Radioaktivität“ gilt
Kernkraftgegnern als höchst mysteriös und, wenn sie vom Menschen
ausgelöst wird, als unzulässiger Eingriff in die Natur. Dabei
ist Radioaktivität, das heißt die spontane Selbststabilisierung
der Kerne ein höchst natürlicher Vorgang. Ursprünglich dürften
alle im Universum vorhandenen Kerne instabil gewesen sein. Sie
waren radioaktiv und haben sich zwischenzeitlich mehr und mehr
stabilieren können.
Entscheidend für die Stabilität ist nicht nur das
Verhältnis der Neutronen und Protonen zu einander, sondern auch
die Größe eines Atoms. Mehr als 81 Protonen können mit Hilfe von
Neutronen nicht mehr auf Dauer zusammenhalten gehalten werden.
Schwere Kerne sind ihrem Wesen nach instabil. Dabei können aber
wie bei Wismut, Thorium oder Uran 238 Protonen Neutronen
Verhältnisse erzielt werden, die sehr lange zusammenhalten und
entsprechend wenig radioaktiv sind. Die Stärke der
Radioaktivität bemißt sich nach der Anzahl der Kernumwandlungen
in einem Stoff pro Zeit. Je länger die Halbwertszeit, d.h. die
Zeit bis sich die Hälfte der instabilen Kerne eines Stoffes
stabilisiert hat, desto geringer die Strahlung – und umgekehrt.
Wismut hat zum Beispiel eine Halbwertszeit von 2,5 mal 1017
Jahren, daher ist es so gut wie nicht radioaktiv.
Kernenergie und Radioaktivität
Kerne stabilsieren sich auf vier typische Arten. Einmal
sprengen sie einen Kernteil ab. Es handelt sich dabei um den
stabilste Kern, den des Heliumgases (4), der aus zwei Neutronen
und zwei Protonen besteht. Werden solche Kernstücke abgesprengt,
spricht man von Alfa-Strahlung. Der bekannteste Alfa-Strahler
ist Radium (226), das sich dabei zum Edelgas Radon (222)
stabilisiert. Zur sogenannten Beta-Strahlung kommt es in der
Regel, wenn sich ein Neutronen zum Protonen (oder umgekehrt)
umwandelt. Dabei wird ein Elektron oder ein Positron abgestoßen.
Die dritte, die sogenannte Gamma-Strahlung besteht nicht aus
Kernteilen sondern aus Energiequanten. Kerne können sich auf
unterschiedlichem Anregungsniveaus bewegen. Wenn sich dieses
ändert, wird ein entsprechendes Energiequantum entweder
aufgenommen oder abgegeben. Stellen Sie sich darunter vielleicht
die Veränderung eines Drehimpulses vor. Wenn ein Schwungrad
(Anregungszustand) abgebremst wird, wird auch Energie als
Reibungshitze frei. Atome, Kerne und Kernteilchen haben unter
anderem solche Drehimpulse.
Die vierte Strahlungsart tritt auf, wenn sich sehr
schwere Kerne (mit deutlich mehr als 81 Protonen) spontan
spalten. Wie schon erwähnt, haben schwere Kerne, um stabil zu
bleiben, im Verhältnis zu ihrer Protonenzahl realtiv mehr
Neutronen nötig als kleine Kerne. Spaltet sich der schwere Kern
in zwei oder gar drei kleinere Kerne, werden überschüssigen
Neutronen mit hoher Energie weggeschossen.
Die Nutzung der Kernenergie hängt mit dem gleichen
Effekt zusammen. Je größer der Kern, desto geringer ist trotz
relativ höherer Anzahl von Neutronen der innere Zusammenhalt der
Kernteilchen, die innere Bindungsenergie. In einem Kern mit der
Masse 240 (das sind im Fall Plutonium etwa 94 Protonen und 146
Neutronen) werden die Teilchen mit einer Bindungsenergie von je
7,6 Megaelektronen Volt (MeV) zusammengehalten. Bei einem Kern
von der Masse 120 (zum Beispiel Zinn, mit 50 Protonen) sind das
je Teilchen 8,5 MeV. Offensichtlich wirkt bei größeren Kernen
eine wachsende Kraft gegen die Kernbindungskraft. Wird nun
Plutonium in Zinn gespalten (rein theoretisch), werden pro
Kernteilchen rund 0,9 MeV frei, also im Falle einer einzigen
Plutoniumspaltung sind das insgesamt 216 MeV. Von dieser Energie
wird rund 85 % als kinetischer Energie (Wärmebewegung der
Kerntrümmer) abgegeben und 15% durch Anregungszustände der
Bruchstücke, die dann durch Gamma-Strahlung und andere
Strahlungen abgebaut wird.
Daran wird deutlich, warum Spaltungsenergie in der Regel
nur bei der Spaltung großer in sich schon instabiler Kerne
möglich und ertragreich ist. Zur Spaltung kleiner Kerne wären so
große Energiemengen nötig, die nur zu geringer Freisetzung von
Unterschieden der Bindungsenergie führt. (Umgekehrt liegt es bei
der Kernfusion, auf die wir hier nicht eingehen).
Da noch immer instabile Kerne in der Natur vorkommen
(mit zunehmendem Alter der Erde werden das immer weniger) gibt
es hier immer noch natürliche Radioaktivität und damit auch eine
natürliche Strahlung. Hinzukommt, daß eine sehr harte kosmische
Strahlung aus dem Inneren unserer Galaxis auf die Erdatmosphäre
trifft und dort Gasmoleküle und Kerne zerschlägt, die ihrerseits
beschleunigt wieder auf andere Kerne treffen und so weiter. Auf
diese Weise entsteht zum Beispiel aus dem Luftstickstoff das
radioaktive Kohlenstoffisotop C14. Dieses lagert sich zum
Beispiel über CO2 in Planzenmaterial an. Über die Häufigkeit
dieses C14 in altem Bauholz oder sonstigen Pflanzenresten läßt
sich ihr Alter bestimmen. Die natürliche Strahlung ist wie alles
auf der Erde sehr unterschiedlich verteilt. Sie kann in manchen
Gegenden (in Brasilien und Indien) auf weit über das
Sechzigfache der bei uns vorkommenden Strahlung ansteigen. Man
mißt die Strahlung in Becquerel Bq. 1 Bq entspricht einem
Kernzerfall pro Sekunde.
Welche Folgen hat die Strahlung? Radioaktive Strahlung
heißt nach ihrer Wirkung jonisierende Strahlung, weil sie mit
der äußeren Elektronenhülle der Atome reagieren und dort
Elektronen herausschlagen oder anlagern kann. Damit ändert sich
die Ladung des Atoms (es wird zu einem Ion) und sein chemisches
Verhalten, vor allem seine Fähigkeit Verbindungen einzugehen. Da
lebende Körper aus mitunter sehr komplexen Molekülen bestehen,
kann solche Strahlung die Molekülketten verändern und
beschädigen. Hätten die belebten Organismen nicht gelernt, mit
solchen Schäden umzugehen, gäbe es kein Leben auf der Erde, da
sie auf der Erde ständig einer gewissen radioaktiven Strahlung
ausgesetzt waren und es noch immer sind. Wie bei allem macht
auch hier die Dosis das Gift und nicht der Ursprung. Der
Organismus kann zwischen künstlicher und natürlicher Strahlung
nicht unterscheiden, wohl aber zwischen den Stahlungsarten und
ihrer Intensität.
Während Alfastrahlung zum Beispiel kaum durch ein Blatt
Papier dringen kann, gelangt Beta-Strahlung einige mm in den
Organismus hinein. Gammastrahlung dringt zwar tief ein, hat aber
mangels Masse geringere Auswirkungen. Gefährlicher sind
Neutronen, die eine große Durchdringungsfähigkeit haben. Mit
ihrer Masse und meist großen Energie, können sie Moleküle
empfindlich stören. Die Forschung hat aus unzähligen
Beobachtungen und Vergleichen die Wirkung der verschiedenen
Strahlungen erfaßt und mit einander verglichen. Daraus hat sie
ein Maß für eine Äquivalentdosis und die biologische
Strahlenbelastung ermittelt. Sie richtet sich nach der Stärke
der Strahlung und der Zeit, während der ein Organismus einer
Strahlung ausgesetzt ist und wird in m Millisievert pro Jahr
(mSv/a) gemessen.
Es ist nicht unerheblich, die Strahlung einiger
natürlicher Dinge aus unserer Umgebung zu vergleichen. 1 m³ Luft
weist 14 bis 70 Bq (Kernzerfälle pro Sekunde) auf, ein Liter
Wasser 1 -4 Bq. Bei Heilwasser aus tiefen Brunnen sind es dann
schon 37000 Bq pro Liter. Dageggen haben unsere sonstigen
Lebensmittel nur rund 40 Bq vorzuweisen. Ein ausgewachsender –
sagen wir 70 Kg schwerer – Mensch bringt es auf 7500 Bq, so daß
ein Beischlaf für eine größere Strahlungsbelastung sorgt, als
wenn ein schlecht gereinigter Castorbehälter vorbeifährt – aber
welchen Rot-Grünen kümmert das schon.
Dementsprechend werden wir Menschen unterschiedlichen
Strahlenbelastungen ausgesetzt, auch hier ist ein Vergleich
nützlich. Die Hintergrundstrahlung aus der natürlichen Umgebung
bringt uns 0,45 mSv/a, die Kosmische Strahlung noch einmal 0,3
mSv/a, die körpereigene Strahlenbelastung 0,25 mSv/a. Wohnen wir
in einem Backsteinhaus bekommen wir 1,0 mSv/a ab. Die übliche
durchschnittliche medizinische Betreuung bringt es pro Person im
Durchnitt auf 1,5 mSv/a. Dagegen liegt die zulässige zusätzliche
Belastung durch Kernkraftwerke bei 0,03 mSv/a, wo bei aber in
der Regel nur 0,01 mSv/a erreicht werden. Aus sonstigen
technischen und beruflichen Belastungen erreichen uns im
Durchnitt 0,03 mSv/a. Das ganze ist – wie gesagt – vor dem
Hintergrund zu sehen, daß die Strahlung auf der Erde mit
zunehmendem Alter nachläßt und das Leben auf der Erde zu einer
Zeit entstand und sich entfaltet hat, als die natürliche
Strahlenbelastung noch wesentlich höher war.
Spezielle
„Probleme“ der Kernenergienutzung
Die friedliche Nutzung der Kernenergie wird abgelehnt,
weil die Menschen angeblich zwei Probleme prinzipiell nicht
bewältigen können. Das eine ist die Gefahr eines sogenannten
„GAU“, die Möglichkeit, daß sich das Inventar eines
Kernkraftwerkes wie eine Atombombe entzündet, die andere sind
die künstlich erzeugten Spaltprodukte mit sehr langen
Halbwertzeiten, die man glaubt von der natürlichen Natur
fernhalten zu sollen.
a) Zum GAU.
Bisher werden Kernkraftwerke „kritisch“ gefahren.
Das heißt: in einen Reaktor werden in Form von Brennstoffen
so viele spontan spaltende Kerne (meist Uran 235)
eingebracht, daß eine Kettenreaktion zustande kommt. Da ein
Urankern, wenn er sich spaltet rund drei Neutronen mit
großer Energie absprengt, muß zweierlei geschehen. 1. Es muß
verhindert werden, daß zwei von diesen Neutronen weitere
Spaltungen auslösen können. Das würde wegen des
exponentiellen Wachstums (3,9,27…) eine Explosion
auslösen. Zwei Neutronen müssen daher eingefangen und
unschädlich gemacht werden, das heißt, sie müssen in
geeignetem Material stecken bleiben, möglichst ohne dieses
selbst radioaktiv zu machen. Das dritte Neutron muß auf die
Geschwindigkeit abgebremst werden, damit es von einem
Urankern, auf den es trifft, nicht abfedert sondern sich ihm
anlagert und ihn spaltet. Absorbtion und Bremsung geschieht
vor allem durch sogenannte Kontrollstäbe, die um eine
bestimmte Menge Spaltungen pro Zeiteinheit einzuhalten, mehr
oder weniger weit in den Reaktor hineingesteckt oder
herausgezogen werden. Wie alle mechanischen Apparate kann
auch diese versagen, die Folge könnte ein rasches Anwachsen
der Kernspaltungen pro Zeit, das heißt eine Überhitzung des
Reaktors mit möglicherweise verheerenden
Folgen.
b) Zu den Spaltprodukten.
Werden Neutronen absorbiert und schwere Atome
gespalten, so bilden sich Isotope mit zum Teil recht
instabilen Kernen, die früher oder später selbst zerfallen,
die also radioaktiv sind. Die meisten dieser Isotope haben
kurze Halbwertzeiten und stabilisieren sich bei intensiver
Strahlung schnell. Aber einige bleiben sehr lange aktiv mit
sehr langen Halbwertzeiten. Dies trifft auf einige
Transurane und auf einige leichtere Isotope zu. Solche
Stoffe, die zwar selbst realtiv wenig intensiv strahlen,
sollen zum Strahlungsschutz und weil sie vom Menschen
erzeugt und von Natur nicht vorhanden waren, sehr lange, oft
über hunderttausende von Jahre von der belebten Natur
ferngehalten werden. Für die angemessene Verwahrung über so
lange Zeiträume kann niemand trotz der inzwischen gefundenen
guten Aufbewahrungsmethoden eine absolute Garantie
übernehmen. Daher rührt das angebliche Entsorgungsproblem,
das bei nüchterner Betrachtung aber noch keines ist. Denn
Spaltprodukte lassen sich über sehr lange Zeiträume sicher
verwahren. Außerdem gibt es viele technische und
medizinische Anwendungsbereiche für intensive
Strahlenquellen. Als solche könnte ein großer Teil der stark
radioaktiven „Abfälle“ aus Kernkraftwerken ebenso dienen,
wie Kobalt 60, daß zur Zeit in kerntechnischen Anlagen für
solche Zwecke eigens gebrütet wird.
Lösungansatz
Wesentlich ist aber, daß beide Probleme, der Gau und die
Endlagerung, keine prinzipiellen Probleme der Kernenergienutzung
sind, sondern sich lösen lassen. Reaktoren können unterkritisch
betrieben werden. Dann enthalten sie einen nicht angereicherten
Brennstoff, der ohne fremde Neutronen die Kettenreaktion selbst
nicht aufrecht erhalten und sich damit nicht selbst entzünden
kann. Die äußere Neutronenquelle, die mit Hilfe eines
aufwendigen Beschleunigers betrieben wird, um die
Spaltungsprozesse im Reaktor aufrecht zu erhalten, läßt sich
jederzeit abschalten – schon ein Kurzschluß würde dazu
genügen.
Mit Hilfe der äußeren Neutronenquelle, lassen sich die
Geschwindigkeit der Neutronen nach Wunsch einstellen. Man kann
hohe Neutronengeschwindigkeiten wählen, bei denen andere
Transurane gespalten, daß heißt nuklear verbrannt werden. Sie
liefern zusätzlich Energie und belasten den radioaktiven Abfall
nicht durch ihre zum Teil langen Halbwertzeiten. Auch lassen
sich die überschüssigen bei der Spaltung freigesetzten Neutronen
so steuern, daß sie kleinere instabile Kerne mit langen
Halbwertzeiten stabilisieren und damit deren Radioaktivität im
Abfall unterbinden.
Voraussetzung für diese Möglichkeiten ist, daß sich die
Geschwindigkeit der Neutronen mit Hilfe des Beschleunigers
relativ genau regeln läßt und daß das Brennstoffgemisch
möglichst flexibel gehandhabt werden kann. Dies ist möglich,
wenn das nukleare Brennstoffgemisch zum Beispiel in flüssiger
Form durch den Rekator geführt wird, so daß es bei jedem Umlauf
– wenn nötig – neu zusammengesetzt werden kann. Wie das im
einzelnen geschehen kann, haben wir an anderer Stelle
ausführlicher dargelegt. (Transmutation, Das Zeitalter der
Kerntechnik beginnt erst, Dr. Böttiger Verlags GmbH Wiesbaden,
EUR 2,50)
Die hier angedeutete sogenannte „Transmutation“ hat
neben den genannten noch weitere Vorteile. Der Brennstoff, der
zur Zeit im Reaktor nur zu 94 % abgebrannt wird, läßt sich auf
diese Weise fast restlos verbrennen. Eine Anreicherung des
Brennstoffs mit selbstkritischen Isotopen (Uran 235) entfällt.
Damit werden die Anreicherungsanlagen, mit denen waffenfähiges
Uran oder Plutonium hergestellt wird, überflüssig und können
aufgegeben werden. Schließlich kann bei diesem Verfahren außer
Uran auch das viel reichlich vorhandene und viel weniger
radioaktive Thorium als Brennstoff eingesetzt werden, was die
Energiereserven um ein Vielfaches vermehrt. Als zu entsorgende
nukleare Asche verbleiben nur noch Spaltprodukte hoher Strahlung
aber kurzer Halbwertzeit. Sie können nach relativ kurzer
Abklingzeit weiterverarbeitet werden.
Alternative Energien?
Offensichtlich ist das Desinteresse der Kernkraftgegner
an allen Möglichkeiten, die Nutzung der Kernenergie
weiterzuentwickeln. Sie beharren darauf, daß Kernenergie zu
gefährlich sei und daß sie im übrigen nicht nötig sei, da
genügend andere Energieformen zur Verfügung stünden. Dies ist
aus mehreren Gründen falsch. Hier sei nur auf zwei Probleme der
alternativen Energien hingewiesen, die wenig beachtet
werden.
Ansich gibt es Sonnenenergie und ihre Derivate in einer
hinreichenden Menge. Sie ist nur über die ganze Erdoberfläche
verteilt und steht damit nur in sehr dünner Form zur Verfügung.
Den eigentlichen Aufwand macht das Sammeln und Verdichten dieser
Eenrgie und dazu ist zum Teil sogar mehr Energie nötig, als an
nutzbarer Energie dabei gewonnen werden kann. Offensichtlich
gibt es auch noch immer die Blaubeeren im Wald umsonst. Daß sie
auf dem Markt einen relativ hohen Preis erzielen, hängt vom
Aufwand ab, sie zu sammeln. Offensichtlich mörderisch wäre der
Vorschlag, die mechanisierte Landwirtschaft aufzugeben und die
Nahrungsversorgung der Menschen auf Blaubeeren umzustellen, weil
es sie umsonst imWald gibt.. Bei den alternativen Energieformen
liegt der gleiche Sachverhalt vor. Er ist nur weniger
offensichtlich, weil die Mittel zum Sammeln und Verdichten der
alternativen Energieformen noch mit Hilfe der vielfach
wirksameren aber knapper werdenden fossilen Energiequellen
hergestellt werden.
Als zweites sollte offensichtlich sein, daß alternative
Energiequellen die Rückkehr zur früheren, vom Boden abhängigen
Energieversorgung darstellen und – das ist das Wesentliche daran
– diese festschreiben. Die Umstellung auf alternative
Energiequellen macht die Rückkehr zur Nutzung der Kernenergie –
wenn eine späte Einsicht das wieder vorschlagen sollte –
praktisch unmöglich, weil sich dann energieaufwendige
kerntechnische Anlagen mit Hilfe alternativer Energiequellen
nicht mehr herstellen lassen.
Unabhängig von den subjektiven Wünschen und
Vorstellungen der Befürworter alternativer Energien, besteht
ihre gesellschaftspolitische Bedeutung darin, die traditionellen
über die von Boden und Geld abhängigen Formen der Machtausübung
und Beherrschung durch institutionalisierte Knappheit zu
stabilisieren. Rot-Grüne Kernkraftgegner erweisen sich damit, ob
sie sich so verstehen oder nicht, als gesellschaftspolitische
Reaktionäre und Fortschrittsfeinde, wenn Fortschritt die
fortschreitende Befreiung des Menschen von realer Not und der an
Knappheit gebundenen Beherrschbarkeit ist.
Schließlich verhindern die Rot-Grünen eine wirksame
Umweltpolitik, die eine möglichst vollständige
Recyclingwirtschaft verlangt. Alle Umweltprobleme gehen im
Grunde auf zwei Problemarten zurück. 1.Es entstehen im Laufe der
Güterproduktion – vor allem als Folge der Verwendung molekularer
Bindungsenergie – chemische Verbindungen, die sich nicht weiter
verwenden lassen. 2. Solche Moleküle sammeln sich in der Umwelt
an, bis sie einen schädlichen Dosiswert erreichen. Zwar lassen
sich solche Verbindungen wieder in ihre Bestandteile zerlegen,
um daraus nützliche Stoffe zu bilden und ihrer unerwünschten
Anreicherung in der Umgebung zu begegnen. Aber diese Moleküle zu
spalten, um daraus nützliche Verbindungen zu machen, wird erst
sinnvoll, wenn eine andere, dichtere Energiequelle als die
chemische Bindungskräfte zur Verfügung steht. Es grenzt an
Unfug, wollte man ungewünschte chemische Verbindungen durch
Herstellung anderer ebenso ungewollter chemischer Verbindungen
(Verbrennungsrückstände) beseitigen. Dies entspräche dem
Versuch, den Teufel durch Beelzebub auszutreiben.
Erst die Kernenergie macht eine vollständige
Recyclingwirtschaft möglich, wie sie uns die belebte Natur mit
ihrem energetischen CO2 und H2O Kreislauf unter zuhilfenahme der
Kernenergie der Sonne vormacht. (Zum Beispiel hatte der u.a.
auch von der SPD Landesregierung in NRW verhinderte
Hochtemperaturreaktor mit dem Adam-Eva Konzept ein äußerst
sinnvolles Recycling von CO2 ermöglicht).
Fortschritt und menschliche Zivilisation
Die Beherrschung der Kernbindungskräfte dürfte für den
Menschen ähnlich wie die Beherrschung der molekularen
Bindungsenergie (Feuer) einen tiefgreifenden kulturellen
Entwicklungssprung bringen. Damals mußte der Mensch seine tiefe
animalische Angst vor dem Feuer überwinden, um erst Mensch zu
werden und eine menschliche Zivilisation aufzubauen. Dies gelang
am Anfang gewiß nicht ohne Reibung. Man kann sich leicht
vorstellen, daß die damaligen Führer, um ihre Führungsposition
zu sichern, die animalischen Ängste bei den zurückgebliebensten
menschlichen Wesen angeheizt haben, um sie gegen die ersten
Menschen zu hetzen, denen es gelang, mit ihrer Angst auch das
Feuer zubezähmen. Handeln die Rot-Grünen nicht entsprechend,
wenn sie Ängste schüren, um den Ausstieg aus der Kernenergie zu
erreichen und damit die materielle Grundlage der Herrschaft, die
Knappheit festzuschreiben, ?
Auch der heutige Übergang zur friedlichen Nutzung der
Kernenergie trifft auf tief im Menschen sitzende Ängste. Sie
sind anderer Natur als die animalischen Ängste vor dem Feuer.
Sie betreffen den durch die modernen Herrschaftsmittel
gefährdeten Kern des Menschseins, nämlich das, was den einzelnen
in der Gesellschaft zum Individuum macht. Verlöre nicht die
heute angebotene Form der sogenannten „Selbstverwirklichung“ des
Einzelnen ihre Grundlage, wenn infolge überreichlicher
Versorgung die Güter des Lebens ihren Preis verlören und nur
noch ihren Gebrauchswert hätten? Wer könnte sich mit einem
Superwagen und dergleichen hervortun, wenn jeder sich das
gleiche leisten könnte. Wie ließe sich „Leistung“ anders steuern
(menschliche Lebenszeit beherrschen), als durch unterschiedlich
zugewiesene Grade von Knappheit und Mangel?
Man sagt, die Menschen würden, wenn sie nicht durch Not
und Mangel angetrieben werden, faul und untätig werden. Man
befürchtet in einem nicht mehr durch Knappheit differenzierten
kommunisitischen Einheitsbrei würden alle persönlichen
Unterschiede dahinschmelzen, so daß sich niemand mehr zu einer
besonderen Leistung aufraffen würde. Unter stellt diese Furcht
nicht, daß Herrschaft und Zwang die prinzipielle Grundlage aller
menschlichen Aktivität sei – also prinzipiell gefordert
wird?
Das Befürtete mag für einige zutreffen und es mag bei
einer zu plötzlichen und unverdienten Befreiung von Not so
eintreten. Stoßen wir aber nicht auch auf Menschen, die selbst
große Not nicht abgehalten konnte, das zu tun, was ihnen
persönlich zwar keinen Vorteil brachte, was sie aber für richtig
hielten, weil es ihren Mitmenschen Freude, Schönheit, ein
„besseres“ Leben oder mehr Wahrheit und Erkenntnisse bringen
konnte? Und ist es nicht gerade eine solche Arbeitsweise, die
wir als „menschlich“ bewundern. Die großen Anstengungen großer
Menschen, welche die Menschheit in ihrer Entwicklung einen
Schritt vorangebracht haben, haben ohne Herrschaft ohne Zwang
und sogar gegen diese gehandelt und dabei oft große Nachteile in
Kauf nehmen müssen. Hält denn – um ein banaleres Beispiel zu
wählen – ein Marathonläufer seine Strapaze nur deshalb durch,
weil man ihm eine große Belohnung verspricht oder die gröhlend
applaudierenden Menge ihm einen Moment lang Anerkennung zollt?
Oder bewegt ihn vielleicht der Wunsch, eine von ihm selbst nicht
anerkannte, innere Trägheit zu überwinden, sich als jemand zu
entwerfen, der er noch nicht ist aber sein will?
Fragen wir anders. Wie ist Macht auszuüben oder ein
entsprechend hoher Preis zu erzielen, wenn der materielle Mangel
überwunden ist und auch nicht virtuell als Angst vor Mangel
aufrechterhalten werden kann? Was unterscheidet die Machthaber
dann noch von den Beherrschten, und womit könnten sie diese zu
Handlungen nötigen, zu denen sie aus eigenen Stücken und eigener
Überzeugung nicht bereit sind, und die zu überzeugen die
Machthaber wegen der eigenen Verkommenheit nicht mehr fähig
sind?
Wie dem auch sei, die Not und vor allem die unnötig
verlängerte und sinnlos beibehaltene Not lenkt uns von uns
selbst ab und von der Herausforderung in uns, das zu werden und
zu schaffen, was wir selbst sein und schaffen können und wollen.
Wir selbst aber werden wir erst durch den ureigenen Beitrag, den
wir und nur wir zur Besserung der Lebensumstände unserer
Mitmenschen beitragen können und wollen, ohne dabei auf
Verdienst und Anerkennung durch andere angewiesen zu sein.
Man sagt, Technik habe mit Moral nichts zu tun, es käme
darauf an, was der Mensch mit seinen technischen Möglichkeiten
tut. Das mag stimmen, trifft aber nicht zu auf die Ablehnung
oder gar Verhinderung technischer Möglichkeiten, welche die
Menschen von materiellem Mangel und Not befreien könnten, durch
deren Verhinderung anderen eine menschenwürdigere Existenz
verweigert wird oder der sogenannten „Überbevölkerung“ sogar die
nackte Existenz. Eine solche Ablehnung ist eine Frage der Moral.
Ist es doch kaum verwerflicher einen Menschen zu erschlagen, als
ihn durch aufgezwungene Lebensumstände verhungern zu lassen –
wie es heute als Folge der Auflagen zum Beispiel des
Internationalen Währungsfonds millionenfach geschieht.
Es wird ohne die Nutzung der Kerntechnik in Zukunft
weder eine Industriegeselschaft noch eine menschenwürdige
Zivilisation geben. Die Frage der Kernenergie – nicht nur der
Kernspaltung, von der hier die Rede war sondern mehr noch der
Kernfusion – ist eine Schicksalsfrage der Menschheit und sie ist
neben all den wissenschaftlichen und technischen Fragen, die im
Zusammenhang mit ihr zu lösen sind, eine Frage der
Moral.
Die SPD des Parteitags von 1956 durfte sich damals mit
Recht „progressiv“ nennen, nicht aber ihre ausstiegsorientierten
Nachfolger von heute. Sie sind, ob sie sich dessen bewußt sind
oder nicht, das Gegenteil davon, nämlich reaktionäre
Menschheitsfeinde, die um der Machterhaltung derer, die die
Preise hochhalten wollen und können, selbst davor nicht
zurückstrecken, andere durch ihre Antikultur in Angst und in
einem dementsprechend „induzierten Irresein“ zu halten, wie es
vor ihnen schon andere mit allerlei Gespenstern, Höllen und
Teufelsängsten, der Angst vor dem Klimagift CO2 und allerlei
hochgespielten Ängsten vor angeblichen und behaupteten
Lebenmittel- und Umweltvergiftungen (natürlich gibt und gab es
soetwas auch in der Realtiät – dann gilt es technische Mittel zu
ihrer Überwindung zu finden) versucht haben. Denn wie sonst als
durch „induziertes Irresein“ ließe sich der Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie erzielen.
[Zitatnachweis auf Anfrage bei Dr. Helmut
Böttiger]
7/2007
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