Neoliberale Wirtschaftspolitik heute
Posted by Rauch on 2nd Oktober 2009
Der amerikanische Nobelpreisträger J. STIGLITZ unterstrich im Jahr 2008: „Wir haben bereits in der Weltwirtschaftskrise gelernt, dass der Markt allein es nicht richtet. Aber das ist 80 Jahre her. Und irgendwann ist das Bewusstsein dafür verloren gegangen.“
Voller Optimismus schrieb der Wirtschaftsjournalist U. SCHÄFER 2008 im Vorwort zu seinem Buch „Der Crash des Kapitalismus. Warum die entfesselte Marktwirtschaft scheiterte“:
„Die Wirtschaft, wie wir sie kennen, ist im Herbst 2008 untergegangen. Die Welt wird künftig eine andere sein. Es wird etwas Neues entstehen. Eine andere Marktwirtschaft. Eine sozialere Marktwirtschaft. Das jedenfalls ist zu hoffen.“
Es wird bei dieser Hoffnung bleiben müssen! Es sei denn die Wirtschaftspolitik streift ihr neoliberales Kleid tatsächlich ab.
Die so genannte entfesselte Marktwirtschaft hat sich systematisch in den letzten dreieinhalb Jahrzehnten herausgebildet. So wie sich die Marktwirtschaft zu Beginn der heutigen Finanz- und Wirtschaftskrise darstellt, ist sie letztlich das Ergebnis einer Vielzahl von wirtschaftspolitischen Entscheidungen, die die Öffnung der Finanzmärkte bewirkten, die Gewerkschaften schwächten, Steuersenkungen herbeiführten und Staatsbetriebe sowie kommunale Wirtschaftseinrichtungen privatisierten. Richtungsweisend für diese Entwicklung waren als Vordenker die Nobelpreisträger M. FRIEDMAN (USA) und F. A. von HAYEK (Österreich). Ihr wirtschaftspolitisches Gedankengut fiel ab Mitte der 70er Jahre in vielen Ländern auf fruchtbaren Boden. Vorher hatte ungefähr 2 Jahrzehnte nach dem letzten Weltkrieg KEYNES mit seinen wirtschaftspolitischen Vorstellungen vom helfenden Staat das Handeln der Politik bestimmt. Danach gewann neoliberalistisches Gedankengut in der Politik die Oberhand. Von den bekannten Ökonomen in den westdeutschen Bundesländern wurde dann nur noch P. BOFINGER als einer der fünf „Wirtschaftsweisen“ als „letzter Keynesianer“ wahrgenommen.
Die Entwicklung wieder hin zum ungezügelten Kapitalismus des 19. Jahrhunderts und zur entfesselten Marktwirtschaft wurde durch die politischen Entscheidungen vieler Regierungen und Politiker vorangetrieben. Zunächst von konservativen, dann aber auch von sozialdemokratischen Politikern. SCHÄFER verweist dabei auf folgende bedeutende Politiker und ihre einschneidenden Maßnahmen:
R. NIXON: Er wirft das Weltfinanzsystem um und löst den „Nixon-Schock“ aus. Das ist die Geburtsstunde der modernen entfesselten Marktwirtschaft. Das von Keynes geprägte Wechselkurssystem wurde von Nixon am 15. August 1971 beendet.
M. THATCHER gelang es, die Macht der Gewerkschaften zu brechen. Sie machte deutlich, dass „im Kampf zwischen Arbeit und Kapital nun allein das Kapital die Siegerstraße beherrscht“.
R. REAGAN senkt in großem Umfang die Steuern. Im D-Zug-Tempo peitscht er im Kongress seine Steuerreform durch und baut regulierende Gesetze ab. Dabei war man sich darüber klar, dass die vorgesehenen Steuersenkungen nur über einen massiven Angriff auf den Wohlfahrtsstaat finanzierbar sind.
Letzten Endes stand der Staat vor Ende der zweiten Wahlperiode Reagans vor dem Bankrott.
H. KOHL verkauft die Staatsunternehmen und öffnet den europäischen Binnenmarkt.
Durch den Euro werden die Mitglieder der Währungsunion zu zügigen Reformen, zur Senkung von Steuern und Abgaben und zum Rückzug des Staates aus der Wirtschaft gezwungen.
G. SCHRÖDER bricht als Sozialdemokrat mit dem Versprechen, dass der Wohlfahrtsstaat für alles aufkommt. Mit der Agenda 2010 u. a. Maßnahmen hat die rot-grüne Koalition die neoliberalen Wirtschaftsreformen weiter vorangetrieben. Mit dieser Koalition vollzog sich nach A. MÃœLLER, Nationalökonom und Politikberater, der Dammbruch zur Umsetzung neoliberaler Ideologien und zum „Umbau“ des Sozialstaats in Deutschland. (A.Müller, Die Reformlüge, S. 389)
Müller weist in seiner Publikation „Machtwahn“ darauf hin, dass auch auf EU-Ebene die maßgeblichen Kräfte nicht mehr für das europäische Sozialstaatsmodell streiten. Der Ausgang der letzten EU-Wahlen wird diese Tendenz verstärken. Die neoliberalen Kräfte besitzen das Ãœbergewicht.
Dr. agr. habil. Günter Preuße, Hochschuldozent i. R.
24.06.2009
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