Quelle: NAEB-Strom-Newsletter 2016/06
Autor: Heinrich Duepmann
Planwirtschaft gilt allgemein seit dem Scheitern der kommunistischen Volkswirtschaften als eine schlechte Wirtschaftsform (siehe auch aktuelles Beispiel Venezuela). Und so wird auch bei der Preismisere in der Deutschen Stromversorgung, deren Ursache in der Energiewende liegt, der Übergang weg vom EEG (als Planwirtschaftliches Verfahren verstanden) hin zu einer marktwirtschaftlich orientierten Stromversorgung von vielen unserer Freunde als Problemlösung angesehen.
Ausgangspunkt dieser Überlegung ist, dass dadurch die Energiewende-forcierten Erzeugungsmethoden Wind, Voltaik und Biogas ins Abseits manövriert werden, weil niemand diesen zu teuren, ungeeigneten und unzuverlässigen Strom, der nicht bedarfsgerecht produziert wird, kaufen würde.
Geht das? Kann man die Stromversorgung Deutschlands in den vier Regelzonen in irgendeiner Form so marktwirtschaftlich gestalten, dass der Hype der Energiewende, d.h. das Forcieren von Voltaik- Wind- und Biogasstrom aufhört?
Tatsächlich Stromversorgung ist immer planwirtschaftlich gewesen, seitdem es Verbundnetze gibt. Dass Strom-Mengen an der Börse zur Produktion ausgeschrieben werden, ist noch kein Beweis dafür, dass Stromversorgung marktwirtschaftlich funktionieren kann. Die nächsten 10 Jahre werden vielleicht in der ENTSO-E (Europäischer Regelzonen-Verbund) den Beweis liefern.
Zur Historie: Bis ca. 1990 hat die Stromversorgung gut – wenn auch teuer – funktioniert, weil die Regelzonen-Betreiber, die auch gleichzeitig Kraftwerksbetreiber waren, einen Versorgungsauftrag hatten. Sie mussten die Netzverfügbarkeit sicherstellen. Wenn das Netz nicht verfügbar war, konnten sie auch Ihre Ware Strom-kWh nicht verkaufen, ganz abgesehen davon, dass sie natürlich ihren Auftrag nicht erfüllten. Entscheidendes Element für die Aufrechterhaltung der Betriebsfähigkeit waren:
- Produktion in relativer Nähe zum Verbraucher
- ein ausreichend dimensioniertes Netz
- hinreichend verfügbarer Regelstrom (*) in der Regelzone
- Regelwerk für Lastabwurf (in extremen Last-Situationen)
All diese Funktionen lagen praktisch in der Hand des Regelzonen-Betreibers (früher mal RWE, E.ON, Vattenfall und ENBW). Dreh- und Angelpunkt war dabei der Regelstrom, der ausschließlich von den Betreibern selbst erzeugt wurde und zu hohen Preisen in die Gesamt-Kosten einfloss. All das war für die Blackout-Vermeidung zwingend erforderlich.
Dann begann in die EU in den neunziger Jahren die „Liberalisierung“ des Strommarktes einzuführen, die zunächst auch sehr gute Preisdämpfungseffekte brachte – siehe in unserem Diagramm die Deutschen Kostenentwicklung von 1990 – 2000 rote Kurve.
Es wurden sogenannte Strombörsen installiert, die Absatz und Bezug von Strom für verschiedene Zwecke und für verschiedene Handelsebenen besogen sollte. Weiterhin erfolgte in dieser Phase die Regelstromversorgung aus eigenen Kraftwerken der Regelzonenbetreiber zu praktisch selbst definierten Preisen. In dieser Zeit entstanden aber quasi schmarotzende Einheiten wie Trianel, EWE und einige andere, die den von ihnen selbst erzeugten Strom in Ihren Verteilnetzen unterhalb des Regelzonen-Netzes eigenständig verkauften.
Mit Einführung des Stromverkaufs (auf der Basis von kWh-Mengen) und der damit verbundenen Trennung von Regelzonen-Betreibern (es entstanden in einem vielstufigen Übernahme- und Zusammenschluß-Prozess die neuen Firmen Amprion, TenneT, 50Hertz und TransnetBW als rechtlich selbständige Unternehmen ohne Strom-Produktionsressourcen) von den produzierenden Kraftwerken mußte die Enthaftung der Stromproduzenten für eben diese Blackout-Vermeidung erfolgen. Diese Funktion liegt jetzt ausschließlich bei den neuen Regelzonenbetreibern. Diese dürfen keine Kraftwerke mehr betreiben und müssen den Blackout-Vermeidungs-Leistungsbedarf (an der Strom-Börse) zukaufen. In welchen an der Strombörse gehandelten Kontrakten die Geschäfte ablaufen, zeigt folgendes aus Wikipedia übernommene Diagramm (die Begriffe sind weitgehend selbsterklärend, die Tageslastganglinie stellt den erwarteten Stromverbrauch einer Regelzone dar):
Tatsächlich können die Regelzonenbetreiber die Funktion Blackout-Vermeidung nur wahrnehmen, solange sowieso genügend (in MW, in der Grafik das untere unbeschriftete gelbe Rechteck) dafür geeignete Kraftwerke vorhanden, am Netz und in Betrieb sind und im richtigen Leistungsbereich arbeiten. Geeignet sind Kraftwerke die sich schnell an schwankende Bedarfe anpassen, die also Ihre tatsächliche momentane Leistung an Bedarfsschwankungen anpassen können. Tatsächlich sind dafür nur die in der folgenden Tabelle aufgeführten Kraftwerke geeignet. Exotische prinzipiell auch geeignet Kraftwerke wie Müllverbrenner u.ä. werden hier nicht berücksichtigt. Laufwasserkraftwerke (bei Talsperren) sind wie Pumpspeicher-Kraftwerke einzuordnen. Nun hängt Anpassungsgeschwindigkeit vom momentanen Leistungsstand ab. Wenn ein Kohlekraft aus und kalt ist, braucht es 8 Stunden, bis es Strom mit mehr als 20% der Nennleistung abgibt. Die folgende Tabelle zeigt hier die Grenzbereiche an:
Zum Verständnis ein Beispiel: ein Kernkraft mit 1.500 MW Leistung fährt mit 55%. Dann kann es seine Leistung in 4,5 Minuten von 825 MW auf 1.500 MW (= Nennleistung) steigern. Natürlich ist das ein theoretischer Fall. Warum sollte das Kernkraftwerk nur mit 55% Leistung fahren. Die Kosten sind die gleichen bei 55% und bei 100% Leistung. Man verschenkt also bares Geld, selbst wenn man für den Strom nur eine Cent-Bruchteil bekommt.
Aber immerhin, steigt der Bedarf in der Regelzone um diese Differenz (675 MW), oder schläft der Wind ein und angenommene 200 Windkraftanlagen a 3.125 MW-Leistung mit voller Leistung bleiben nun stehen, kann das Kernkraftwerk binnen 5 Minuten helfen. Sind keine Kraftwerke in dieser Hilfestellungsposition und bekommt man nicht über die Regelzonen-Koppelstellen genügend Strom herbeigeschafft, kommt es zum Blackout.
Für eine zuverlässig Blackout-Vermeidung ist es also wichtig, dass jederzeit die richtige Menge (Wirk-) Leistung aus diesen geeigneten Kraftwerken in einer Regelzone aktuell da ist. Wenn ein Kernkraftwerk bereits mit 99% Leistung fährt, steht nur noch 1% (15 MW) Reserve zur Verfügung. Das sind gerade mal 5 wegen einschlafendem Wind gerade zu kompensierende Windkraftanlagen.
Jetzt kommt die Strombörse ins Spiel. Angenommen, das Kernkraftwerk will am Regelstrom-Geschäft mit einer Leistung von 600MW (Regelstrom wird nach Leistung und nicht nach Arbeit entgolten) partizipieren, muss es zunächst mal für ein 24h oder 48h-Zeitfenster sein Angebot an der Börse von 100% auf angenommen 60% reduzieren. Es muss also seinen Angebotspreis für die restlichen 900 MW so definieren, dass es auch tatsächlich an der Börse den Zuschlag erhält (damit es bei den 55% Leistung bleibt um als Regelkraftwerk agieren zu können). Bei einem angenommenen realisierten Handelspreis von 3 Ct./kWh bedeutet das zunächst mal einen Verzicht auf 432.000 EUR als Tageserlös, der dann über den Erlös aus dem Regelstrom-Angebot kompensiert werden muß. Würde das Kraftwerk keinen Zuschlag an der Börse für die 900 MW zu 3 Ct./kWh bekommen, könnte es auch seine Funktion als Regelstromlieferant nicht erfüllen. Es würde also jetzt zu einem sogenannten Redispatch (wird hier nicht weiter behandelt) kommen. Und das Kraftwerk hat zunächst mal einen hohen Einnahmeverlust, da es sich ja selbst aus dem Geschäft gebracht hat.
Je mehr Energiewendestrom, der ja schon über das EEG bezahlt ist und damit zu Null an der Börse gehandelt werden könnte, vorhanden ist, desto größer ist das Risiko, dass der Preis im Beispiel von 3 Cent nicht erreicht wird.
Heute funktioniert die Blackout-Vermeidung nur deshalb, weil noch genügend Blackout-verhinderungsfähige Kraftwerke betrieben werden. Das mag sich bald ändern, mehr und mehr Kraftwerke werden als sogenannte Dreckschleudern (1) oder wegen KK-Ausstieg(2) oder wegen Unwirtschaftlichkeit(3) still gelegt. Die Politik hat kein geeignetes technisches und volkswirtschaftliches Instrument, diese Entwicklung zu stoppen bzw. die heutige Technik durch eine andere zu ersetzen bzw. den Betrieb von „Blackout-Vermeidungs-Kraftwerken“ zu triggern. Es werden also in wenigen Jahren nicht mehr ausreichend derartige Kraftwerke verfügbar sein. Alle Versuche, mit Speichern so was nachzubauen bewegen sich in der Dimension des Teelöffels beim Weltmeerausschöpfen.
Schlimmer ist allerdings noch der andere Fall, dass zwar Kraftwerke noch genügend vorhanden sind, aber wegen des Überangebotes von Energiewendestrom nicht im Leistungsbereich gemäß obiger Tabelle laufen und damit nicht rechtzeitig eingreifen können. Hier sei allerdings erwähnt, dass dieses Problem leicht lösbar wäre durch Abschaltung der Energiewendestrom-Anlagen. Damit wäre dieser sogenannte Überschußstrom (siehe auch AfD-Artikel) eliminiert und regelfähige Kraftwerke würden im geeigneten Bereich laufen. Wir lassen deshalb diesen Punkt im folgenden aussen vor.
Selbst wenn man die Stilllegungsbeschlüsse gemäß (1) und (2) zurücknehmen würde, wäre der Erosionsprozess wegen (3) nicht aufzuhalten sein. Sogar wenn man das EEG zurücknehmen würde und damit die Energiewendestromerzeugung beenden, würde kein kaufmännisch handelndes Unternehmen Kraftwerke für die Erzeugung von Regelstrom mehr neu errichten:
Niemand würde nach den Wirren, Irrtümern und Fehlentscheidungen der letzten 15 Jahre in Deutschland in der Stromwirtschaft und unter dem Regelschirm der EU-Strombörse noch zu derartigen Investitionen, die über 40 Jahre abgeschrieben werden müssen, zu bewegen sein. Mannheim (Kohle) und vielleicht noch Datteln 4 (Kohle) werden wohl die letzten Regelstrom-geeigneten neuen Kraftwerke in Deutschland sein. Insbesondere der Druck der Mehrheit der Energiewende-gläubigen Bürger würde das Investitionsrisiko unvertretbar hoch machen.
Ich kann mir kein funktionsfähiges Incentive-System für Investitionen für die Regelstrom-Versorgung vorstellen (unter dem Prinzip der Ausschreibung des Regelstromes an der Strombörse). Damit ist Marktwirtschaft im Stromgeschäft nicht möglich und so läuft auch die Argumentation gegen Planwirtschaft bei der Stromerzeugung ins Leere. Einen Ausweg sehe ich derzeit nicht – vermutlich geht es allen verantwortungsbewussten und sachkundigen Politikern ebenso. Die Manager der Stromunternehmen haben richtigerweise die Ergebnisse und Bilanzen der nächsten Geschäftsjahre im Sinn, denn sie sind nur noch kaufmännisch ihren Aktionären verpflichtet (Enthaftung vom Netzbetriebsrisiko).