Zur Entwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in der EU
Posted by Rauch on Mai 12th, 2011
Was hat es mit der europäischen Agrarpolitik auf sich, wohin entwickelt sie sich?
Welche Bedeutung hat die Landwirtschaft in Europa im Rahmen von Wirtschaft und Gesellschaft?
Welche Rolle spielt die Landwirtschaft als zielgerichtete Herstellung pflanzlicher und tierischer Erzeugnisse zur menschlichen Ernährung auf einer zu diesem Zweck bewirtschafteten Fläche im Rahmen der Umweltpolitik und im kulturellen Bereich der EU und wie reagiert die Agrarpolitik?
1. Historischer Ausgangspunkt
Die genannten Problemkreise spielen im Prozess der europäischen Einigung keine unwesentliche Rolle. Ihre erfolgreiche Bewältigung könnten sich als Gegengewicht zu Tendenzen des Auseinanderbrechens der EU erweisen! Gerade in der gemeinsamen Agrarpolitik wird das Hinwenden Europas zu einer neuartigen politischen Gemeinschaft deutlich erkennbar, obwohl andererseits gerade der europäische Agrarmarkt als ständiges Ärgernis wahrgenommen wurde und wird.
Sowohl die Stärke als auch die Schwäche Europas bis in die Gegenwart hinein ist die Mannigfaltigkeit seiner Staaten. „Jenseits aller Machtkonflikte bildeten die Staaten Europas – und das ist das weltgeschichtlich Einmalige – eine Kulturgemeinschaft. Sie zeigte sich durch verwandtschaftliche Bindungen ihrer Herrscher…, durch die gemeinsamen Verkehrssprachen Latein und Französich, durch ein gemeinsames Zivilisationsklima, die Aufklärung, und durch gemeinsame Wurzeln in der Antike und im Christentum.“ /1/ Einflüsse des Judentums und auch des Islam durch die Mauren auf der iberischen Halbinsel und durch die Osmanen auf dem Balkan haben eine gewisse Rolle gespielt. Es ist unstrittig, dass das Zusammenwirken von christlicher, jüdischer und islamischer Gelehrsamkeit das geistige Europa befruchtet hat. Viele der zu den Wurzeln Europas gehörenden Werke der Antike wären ohne die einstigen Ãœbersetzungen durch arabische Gelehrte für Europa verloren gewesen.
Mit der Französischen Revolution entfaltete sich die Idee des Nationalstaates mit allen damit verbundenen Problemen für die europäische Politik.
Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges wurde die Politik vom Gedanken der Abkehr vom Nationalstaat westeuropäischer Prägung getrieben. Es ging um die Gestaltung der Einheit Europas und der festen Einbindung Deutschlands in ein festes europäisches Gefüge als Friedensgarant. Deutsche Sonderwege sollten künftig ausgeschlossen werden.
„Doch wie viel Staat in dem sich entwickelnden europäischen Gebilde noch übrig bleiben wird, ist eine offene Frage.“ /2/
Eingebettet in diese Prozesse vollzieht sich die Gestaltung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik. Sinn und Unsinn sind dabei oft zwei Seiten einer Medaille. Wie so oft in der Politik.
Nach dem verhängnisvollen letzten Weltkrieg lag neben der Industrie auch die Landwirtschaft der europäischen Siegermächte und der Kriegsverlierer am Boden. Die europäischen Staaten der späteren EWG waren deshalb zur Ernährung ihrer Bevölkerung auf Nahrungsmittelimporte angewiesen.
Besonders problematisch war die Situation in Deutschland. In den westlichen Besatzungszonen und ab Mai 1949 in der Bundesrepublik Deutschland wurden die westdeutschen Nahrungsmittelimporte bis 1952 überwiegend von den USA finanziert. In der Bundesrepublik Deutschland fehlten durch die wirtschaftlichen Kriegsfolgen die für Nahrungsmittelimporte notwendigen Außenhandelsüberschüsse.
2. Ziele einer gemeinsamen Agrarpolitik
Die Ziele einer gemeinsamen Agrarpolitik wurden in den Römischen Verträgen festgelegt. Dabei ging es zunächst darum, durch eine Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion die Abhängigkeiten bei der Lebensmittelversorgung zu verringern.
An erster Stelle der gemeinsamen Agrarpolitik der beteiligten europäischen Staaten standen Maßnahmen zur Erhöhung der Produktivität der Landwirtschaft durch Förderung der Rationalisierung der Agrarproduktion.
Damit war die gemeinsame Agrarpolitik eindeutig auf die Verringerung der landwirtschaftlichen Erwerbsbevölkerung ausgerichtet. Deshalb musste sich zwangsläufig sowohl die Zahl der Landarbeiter als auch die der landwirtschaftlichen Betriebsinhaber verringern. Gefördert wurden insbesondere größere und effizientere Landwirtschaftsbetriebe. Dadurch kam es zu einem drastischen Rückgang der klassischen bäuerlichen Betriebe, die den Lebensunterhalt einer bäuerlichen Familie sichern konnten.
Weniger als die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland sind solche Vollerwerbsbetriebe. /3/
Die gemeinsam Agrarpolitik (GAP) war zunächst darauf ausgerichtet, dass die landwirtschaftlichen Betriebe in der EG Nahrungsmittel in ausreichendem Umfang und preiswert produzieren sollten.
Heute geht es darum, Anbaumethoden zu fördern, die gesunde Lebensmittel gewährleisten und die ländliche Umwelt schonen. Damit hat sich die GAP zu einem Anliegen entwickelt, das nicht nur die Interessen der unmittelbaren Agrarproduzenten tangiert.
Die Hauptaufgabe der GAP bleibt es aber, für die Landwirtschaft in der EU solche Rahmenbedingungen zu schaffen, dass dieser Wirtschaftszweig seine Aufgaben erfüllen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Landwirtschaft sich zu einem kapitalintensiven Wirtschaftsbereich entwickelt hat.
In Deutschland hat um 1900 ein landwirtschaftlicher Produzent Nahrungsmittel für 4 Personen erzeugt. 1950 ernährte ein Landwirt 10 und im Jahr 2004 143 Personen. Im Zuge dieser gewaltigen Rationalisierung der Agrarproduktion sank in der deutschen Landwirtschaft der Erwerbstätigenanteil in den letzten 100 Jahren von 38% auf ca. 2%! /4/
Die gemeinsame Agrarpolitik der EU beruht auf zwei Säulen: Marktordnungen und Entwicklung des ländlichen Raumes./5/
Marktordnungen stellen ein System von Maßnahmen dar, durch das Angebot und Nachfrage von Agrarprodukten sowie die Preisentwicklung in bestimmtem Sinne beeinflusst oder gelenkt werden soll.
Sie bilden die erste Säule der gemeinsamen Agrarpolitik der EU.
Instrumente der Gemeinsamen Marktordnungen sind: Intervention, Produktionsquoten, Zölle, Exportsubventionen und Direktzahlungen an die Landwirte zur Kompensation von Preissenkungen für bestimmte Produkte.
Staatliche Eingriffe bedeuten immer eine Einschränkung des Wirkens von Marktkräften und können sowohl sinnvoll sein als auch negative Auswirkungen haben. Das trifft auch auf die Agrarmärkte in der EU zu.
Insbesondere das Quotensystem stellt sich als Fehlsteuerung auf wichtigen Agrarmärkten wie für Milch, Zucker oder Tabak dar.
Das Quotensystem schränkt den Wettbewerb zwischen den landwirtschaftlichen Produzenten ein und verhindert, dass die Produktion zu Standorten wandert, die am kostengünstigsten sind. Das Quotensystem behindert letztlich den Prozess der Arbeitsteilung. Da Quoten auf dem Markt gekauft werden können, kommen in praxi die angestrebten Einkommenseffekte zunehmend auch den ehemaligen Quoteninhabern oder deren Erben zugute. Vielfach wurde mit der Quotenregelung ungewollt auch der Strukturwandel vorangetrieben. „Der Patient EU-Agrarpoltik ist schwer krank, aber nicht , weil der Patient eine schlechte Gesundheit hat, sondern weil ihm andauernd und mit zunehmender Dosierung die falschen Medikamente verabreicht werden.“ /6/ Diese Situation ist aber nicht auf die Agrarpolitik beschränkt. Hier widerspiegelt sich letztlich nur ein Zustand, der für unsere gesamte Wirtschafts- und Sozialpolitik zutreffend ist. Auf Schritt und Tritt treffen wir auf ökonomischen Unsinn, der einer Sozialen Marktwirtschaft widerspricht.
Heute muss die EU-Agrarpolitik sich vorrangig auf vier Hauptziele konzentrieren:
Erstens: Verbesserung der Lebensverhältnisse im ländlichen Raum und Anpassung der Einkommensentwicklung der Bauern an die der übrigen Bevölkerung.
Zweitens: Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Agrarprodukten zu angemessenen Preisen. Gammelfleisch und Futtermittelskandale zeigen wie schwer sich solche Vorstellungen umsetzen lassen. Was künftig unter angemessenen Nahrungsmittelpreisen zu verstehen ist, bedarf noch einer Definition (sicher in Zusammenhang mit der Forderung nach der Durchsetzung einer gesunden Ernährung und einer schwachsinnigen Klima-Politik).
Drittens: Verbesserung der agrarischen Außenwirtschaftsbeziehungen und der Welternährungslage.
Viertens: Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen (Umweltschutz).
Damit macht sich eine Reformierung der beiden Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik notwendig.
Die erste Säule umfasst Maßnahmen zur Unterstützung des Marktes und direkte Subventionen für Landwirte.
Für die Erneuerung der ersten Säule werden drei Varianten diskutiert:
Erste Variante: Landwirte sollen zu ökologischen Maßnahmen verpflichtet werden, von denen Subventionszahlungen abhängig gemacht würden.
Zweite Variante: Die derzeitige Politik wird beibehalten. Es wird aber eine gerechte Verteilung der Subventionen angestrebt.
Dritte Variante: Direkte Zuschüsse und unterstützende Marktinstrumente werden komplett gestrichen. /7/
Diese Variante dürfte zum Scheitern verurteilt sein.
4. Entwicklung des ländlichen Raumes
Diese zweite Säule der GAP wurde ab dem Jahr 2000 eingeführt. In dieser Säule werden alle bisherigen Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raumes zusammengefasst.
Sie soll der Erhaltung der ländlichen Gebiete durch die Entwicklung der Wirtschaft und durch die Nutzung ihrer speziellen Ressourcen dienen. Dazu dienen Umweltschutzmaßnahmen, die Diversifizierung der Einkommen im ländlichen Raum und der Schutz des ländlichen Kulturerbes.
In vielen kleineren Ortschaften des ländlichen Raumes hat sich die Lebenswelt der Einwohner grundlegend verändert. Von der Einnahmequelle Landwirtschaft sind heute viele Bewohner des ländlichen Raumes abgeschnitten. Es dominieren immer mehr weniger aber größere und effizientere Agrarbetriebe mit einer sinkenden Zahl von Beschäftigten.
Das Ãœberleben kleiner landwirtschaftlicher Betriebe und die Erhaltung einer auf der kleinen bäuerlichen Produktionsweise basierenden traditionellen ländlichen Kultur und Kulturlandschaft wird für künftige Generationen nostalgisch als ein Wert an sich gehalten.
5. Das magische 6-Eck der europäischen Agrarpolitik
Die EU-Agrarpolitik legt die wirtschaftlichen Grundlagen für die Bauern in 27 Staaten und muss sich an sechs Zielen messen lassen:
- Ernährungssicherheit,
- Qualität der Agrarerzeugnisse,
- Umweltschutzmaßnahmen,
- ländliche Kultur,
- internationale Auswirkungen und
- Lebensstandard der Bauern.
In diesem Zielpaket ist immer ein Zielkonflikt enthalten!
Die GAP ist die am stärksten integrierte EU-Politik. Ein Großteil des EU-Haushaltes wird von ihr beansprucht. Die GAP ist die einzige EU-Politik, bei der alle Mittel aus dem Gemeinschaftshaushalt stammen.
Der neue Schwerpunkt „ländliche Entwicklung“ beansprucht 11% des Haushalts./8/
6. Die Agrarstruktur in Deutschland und der EU
In der EU-Agrarpolitik geht man davon aus, dass eine vielseitig strukturierte Landwirtschaft aus leistungs- und wettbewerbsfähigen Haupt- und Nebenerwerbsbetrieben am besten die vielfältigen Anforderungen der Gesellschaft an die Landwirtschaft erfüllen kann.
Seit den Veröffentlichungen der Bundesregierung zur Lage der deutschen Landwirtschaft (Agrarberichte) werden Haupt-/Vollerwerbsbetriebe als Agrarbetriebe definiert, in denen die Familie aufgrund der betrieblichen und persönlichen Verhältnisse voll tätig ist und ihren Lebensunterhalt in der Regel ausschließlich aus dem landwirtschaftlichen Betrieb bezieht. In diesen Betrieben betragen außerlandwirtschaftliche Erwerbseinkünfte weniger als 10% des Reineinkommens. In der Statistik erscheinen diese Betriebe auch als Familienbetriebe. Dabei wird der Familienbetrieb nicht durch den Umfang der LN, sondern durch die Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten charakterisiert.
Bei den Zuerwerbsbetrieben handelt es sich um Haupterwerbsbetriebe, bei denen das außerbetriebliche Erwerbseinkommen mindestens 10%, aber weniger als 50% des Erwerbseinkommens beträgt.
Unter Nebenerwerbsbetriebe werden Betriebe verstanden, in denen das Betriebsinhaberehepaar mindestens 50% des Erwerbseinkommens aus einer außerbetrieblichen Tätigkeit bezieht. Bei diesen Betriebsinhabern handelt es sich häufig nur noch um Hobby-Landwirte.
Die aufgeführte Strukturierung ist letztlich ein Spiegelbild des systematischen Ausscheidens von bäuerlichen Betrieben aus den Produktionsprozess und ist Ergebnis des rasanten Strukturwandels in der EU-Landwirtschaft.
Der Strukturwandel in der Landwirtschaft Europas führt also über einen schmerzhaften Anpassungsprozess zur Abnahme der Zahl der Agrarbetriebe.
Es scheiden eher kleinere Betriebe aus. Das betrifft in Deutschland Betriebe bis zu 75 ha LF. Ab 75 ha LF nimmt bundesweit die Zahl der Betriebe zu. Damit erhöht sich die durchschnittliche Betriebsgröße in der Landwirtschaft.
Diese Entwicklung vollzieht sich insbesondere im früheren Bundesgebiet.
In der Landwirtschaft der neuen Bundesländer hatten sich nach der staatlichen Vereinigung kaum strukturelle Veränderungen vollzogen. Hier hatte sich die Landwirtschaft schon frühzeitig unter staatlichem Zwang den modernen Erfordernissen zur Konzentration anpassen müssen. Eine Tatsache, die auch in anderen neuen EU-Ländern zum Tragen kommt. Die getrennte staatliche Entwicklung hat in den neuen Bundesländern, in Tschechien u. a. neuen EU-Staaten eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft hervorgebracht.
Im Ergebnis des bisherigen Strukturwandels liegt die durchschnittliche Betriebsgröße in den alten Bundesländern bei 40,5 ha LF und in den neuen Ländern bei 184,5 ha LF.
Eine wichtige Ursache für Veränderungen in der EU-Landwirtschaft sind die agrarpolitischen Entscheidungen der EU.
Die EU-Agrarpolitik erforderte und erfordert von den landwirtschaftlichen Betrieben entsprechende Anpassungen, die ihre Struktur und Produktion beeinflussten.
Weitere tiefgreifende Veränderungen insbesondere im Bereich der Agrarproduktion dürfte der „grüne Zeitgeist“ bewirken. /9/ Dies im Einklang mit pseudowissenschaftlichen Erklärungen über den Klimawandel.
Weizen, Zucker, Mais und Raps werden verstärkt zur Energiegewinnung angebaut. Damit gehen Ackerflächen für die Nahrungsmittelproduktion verloren. Befürworter von Biosprit entscheiden sich gegen die Lösung des Welternährungsproblems. Dabei trägt Biosprit – nach Meinung des amerikanischen Klimaschützers GORE wenig bis gar nichts zu einer besseren Ökobilanz bei./10/
Nicht Brot für die Welt, sondern Brot für den Tank – das ist der Slogan des grünen Zeitgeistes!/11/
Mit der Tankverweigerung von E10 an den deutschen Tankstellen wehrt sich der Verbraucher gegen eine der aggressivsten Lobbygruppen in Berlin und Brüssel.
Außerdem wird man das Gefühl nicht los, dass mit Duldung und Förderung unserer Regierung in jeder E10-Zapfsäule ein kleines staatssozialistisches Teufelchen Samba tanzt.
Doz. Dr. agr. habil. Günter Preuße
Leipziger Institut für Bildung und Forschung e.V.
Quelle:
/1/ H. Schulze, „Die Erfindung des Staates“, Spiegel special, Nr. 1/2002, S. 63
bis 64.
/2/ Ebenda, S. 65.
/3/ Vgl. A. John, „Unsere Landwirtschaft gestern – heute – morgen“, Presse-
und Informationsamt der Bundesregierung, Reihe: Politik-Informationen,
Bonn 1992.
/4/ http://de.wikipedia.org/wiki/Landwirtschaft , S. 3 von 10.
/5/ Auswärtiges Amt – Gemeinsame Agrarpolitik in: http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Europa/Aufgaben/Landwir…
/6/ U. Koester, „Diagnose: Hoffnungslos“, Spiegel special, Nr. 1/2002, S. 139.
/7/ EU will Agrarpolitik reformieren, in: http://www.eu
koordination.de/umweltnews/news/landwirtschaft-ge…, S.1 von 1.
/8/ Auswärtiges Amt – Gemeinsame Agrarpolitik, a. a. O., S. 2.
/9/ Siehe „Milliarden für eine schlechtere Welt“, Wirtschaftswoche, Nr. 10 v. 5.3.2011, S. 20 bis 24.
/10/ Ebenda, S. 22.
/11/ Ebenda, S. 23.